Mantel, Hilary
schöner ausgesehen. Er schickt Ihnen das hier.«
Anne gibt einen kleinen Laut
von sich, ein Stöhnen, bei dem sich Dankbarkeit und Langeweile die Waage
halten: oh, was, noch ein Diamant?
»Und einen Kuss, von dem ich
sagte, er solle ihn lieber persönlich überbringen.«
Sie macht keine Anstalten, den
Ring von ihm zu nehmen. Es ist beinahe unwiderstehlich, ihn auf ihren Bauch zu
legen und zu gehen. Stattdessen übergibt er ihn ihrer Schwester. Er sagt: »Das
Festmahl wird auf Sie warten, Hoheit. Kommen Sie erst, wenn Sie sich dazu
bereit fühlen.«
Sie stemmt sich in die Höhe,
mit einem Keuchen. »Ich komme jetzt.« Mary Howard beugt sich vor und reibt
ungeübt Annes Kreuz, eine nervöse jungfräuliche Bewegung, als würde sie einen
Vogel streicheln. »Ach, verschwinde«, schnappt die gesalbte Königin. Sie sieht
krank aus. »Wo waren Sie gestern Abend? Ich habe Sie gebraucht. Die Straßen
haben mir zugejubelt. Ich habe sie gehört. Es heißt, das Volk liebt Katherine,
aber in Wirklichkeit sind es nur die Frauen, denn sie tut ihnen leid. Wir
werden ihnen etwas Besseres zeigen. Sie werden mich lieben, wenn dieses Wesen
erst aus mir heraus ist.«
Jane Rochford: »Oh, Madam, das
Volk liebt Katherine, weil sie die Tochter von zwei gesalbten Herrschern ist.
Finden Sie sich damit ab, Madam - es wird Sie nie lieben, genauso wenig wie es
... Cromwell hier liebt. Das hat nichts mit Ihren Verdiensten zu tun. Es ist
eine Tatsache. Man muss ihr ins Auge sehen.«
»Vielleicht genug«, sagt Jane
Seymour. Er dreht sich zu ihr um und sieht etwas Erstaunliches: Sie ist
erwachsen geworden.
»Lady Carey«, sagt Jane
Rochford, »wir müssen Ihre Schwester jetzt auf die Füße und in ihre Gewänder
bekommen, also bringen Sie Master Cromwell hinaus und plaudern Sie mit ihm wie
üblich. Heute ist kein Tag, um mit der Tradition zu brechen.«
An der Tür: »Mary?«, sagt er.
Bemerkt die dunklen Flecken unter ihren Augen.
»Ja?« Ihrem Tonfall nach zu
urteilen, ist es ein »Ja, was ist jetzt schon wieder?«.
»Es tut mir leid, dass die
Heirat mit meinem Neffen nicht zustande gekommen ist.«
»Nicht, dass ich je gefragt
wurde, natürlich nicht.« Sie lächelt gequält. »Ich werde Ihr Haus nie sehen.
Und man hört so viel davon.«
»Was hören Sie?«
»Ach ... von Truhen, die vor Goldstücken überquellen.«
»Das würden wir niemals zulassen. Wir würden größere
Truhen beschaffen.«
»Die Leute sagen, es ist das Geld des Königs.«
»Es ist alles das Geld des
Königs. Sein Bild ist darauf. Mary, sehen Sie«, er nimmt ihre Hand, »ich konnte
ihm seine Neigung für Sie nicht ausreden. Er ...«
»Wie heftig haben Sie sich bemüht?«
»Ich wünschte, Sie wären bei
uns in Sicherheit. Obwohl es natürlich nicht die große Partie ist, die Sie als
Schwester der Königin erwarten dürfen.«
»Ich bezweifle, dass es viele
Schwestern gibt, die erwarten, was ich bekomme, Nacht für Nacht.«
Sie wird noch ein Kind von
Henry bekommen, denkt er. Anne wird es in der Wiege erwürgen lassen. »Ihr
Freund William Stafford ist am Hof. Zumindest glaube ich, dass er noch Ihr
Freund ist?«
»Sie können sich sicher
vorstellen, was er von meiner Situation hält. Nun, immerhin bekomme ich
freundliche Worte von meinem Vater zu hören. Monseigneur stellt fest, dass er
wieder Verwendung für mich hat. Gott verhüte, dass der König eine Stute aus
einem anderen Stall reitet.«
»Es wird enden. Er wird Sie
freigeben. Er wird Ihnen etwas zukommen lassen. Eine Pension. Ich verwende
mich für Sie.«
»Bekommt ein schmutziges
Geschirrtuch denn eine Pension?« Mary schwankt beim Stehen; sie scheint
benommen vor Elend und Müdigkeit; große Tränen steigen in ihre Augen. Er steht
da und fängt die Tränen auf, tupft sie ab, flüstert ihr zu und beruhigt sie
und möchte gerne woanders sein. Als er sich befreit hat, dreht er sich noch
einmal zu ihr um, sieht, wie sie niedergeschlagen in der Tür steht. Man muss
etwas für sie tun, denkt er. Sie verliert ihre Schönheit.
Hoch über der Halle von
Westminster sieht Henry auf einer Galerie zu, wie seine Königin ihren
Ehrenplatz einnimmt, umgeben von ihren Damen: die Blume des Hofes und der Adel
Englands. Der König hat sich bereits etwas früher gestärkt und nascht jetzt von
einem Gewürzteller, taucht dünne Apfelscheiben in Zimt. Mit ihm auf der Galerie encore les
ambassadeurs, Jean de Dinteville, gegen die Junikälte in Pelz gehüllt, und sein
Freund, der Bischof von Lavaur, der ein feines
Weitere Kostenlose Bücher