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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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sodass die Leute die Stadien seiner Qual betrachten
können. Henry will bestimmt auch so etwas haben. Oder er wird sich eine
Vorrichtung anschaffen, mit der man Ihnen über eine Zeitspanne von vierzig
Tagen den Kopf von den Schultern löst.«
    Die junge Frau sieht auf. Auf
Deutsch: »Mein Onkel...«
    »Wer ist das?«
    Sie nennt einen Theologen,
Andreas Osiander: einen Nürnberger, einen Lutheraner. Ihr Onkel und seine
Freunde, sagt sie, und die gelehrten Männer ihrer Stadt, sie glauben ...
    »In Ihrem Land mag man
glauben, Madam, dass ein Pastor eine Frau haben sollte, aber nicht hier. Hat Dr
Cranmer Sie nicht gewarnt?«
    »Bitte«, meint Cranmer, »sagen
Sie mir, was sie sagt. Gibt sie mir die Schuld? Wünscht sie sich nach Hause
zurück?«
    »Nein. Nein, sie sagt, Sie
sind freundlich. Was ist nur in Sie gefahren, Mann?«
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass
ich ein Geheimnis habe.«
    Das haben Sie. Unten am Rand
der Seite. »Aber sie hier unterzubringen, direkt unter der Nase des Königs?«
    »Ich hatte sie auf dem Land
untergebracht. Aber ich musste ihr den Wunsch erfüllen, die Feierlichkeiten zu
sehen.«
    »Sie war draußen auf den
Straßen?«
    »Warum nicht? Keiner kennt
sie.«
    Das stimmt. Das Untertauchen
eines Fremden in der Stadt; eine junge Frau in buntem Kleid und bunter Haube,
ein Paar Augen unter Tausenden von Augen: Man kann einen Baum im Wald
verstecken. Cranmer tritt an ihn heran. Er streckt seine Hände aus, an denen
vor so kurzer Zeit das heilige Öl haftete, die blassen Rechtecke seiner
Handflächen durchzogen von sich kreuzenden Linien: Kunde von Seereisen und
Allianzen. »Ich habe Sie als meinen Freund hergebeten. Denn ich halte Sie in
dieser Welt für meinen wichtigsten Freund, Cromwell.«
    Als o gibt es nichts anderes
zu tun, als diese knochigen Finger freundschaftlich mit den eigenen zu
umschließen. »Sehr gut. Wir werden eine Lösung finden. Wir werden Ihre Dame
geheimhalten. Ich wundere mich nur, dass Sie sie nicht bei ihrer eigenen
Familie gelassen haben, bis wir den König auf unseren Weg bringen können.«
    Margarete beobachtet sie,
blaue Augen huschen von Gesicht zu Gesicht. Sie steht auf. Sie schiebt den
Tisch von sich weg; er beobachtet sie dabei, und sein Herz macht einen Ruck.
Weil er schon früher gesehen hat, wie eine Frau das tut, seine eigene Frau, und
er hat gesehen, wie sie ihre Handflächen auf die Tischplatte legt, um sich
hochzustemmen.
    Margarete ist groß, und die
Wölbung ihres Bauches ragt über die Tischplatte.
    »Jesus«, sagt er.
    »Ich hoffe auf eine Tochter«,
sagt der Erzbischof. »Wann ungefähr?«, fragt er Margarete.
    Statt einer Antwort nimmt sie
seine Hand. Sie legt sie auf ihren Bauch und drückt sie mit der eigenen Hand
nach unten. Im Einklang mit den Feierlichkeiten tanzt das Kind: Spanoletta, Estampie Royal. Das ist vielleicht ein Fuß;
das ist eine Faust. »Sie brauchen eine Freundin«, sagt er. »Eine Frau in Ihrer
Nähe.«
    Cranmer folgt ihm, als er aus
dem Raum stampft. »Wegen John Frith ...«, sagt er.
    »Was?«
    »Seit er nach Croydon gebracht
wurde, habe ich dreimal vertraulich mit ihm gesprochen. Ein würdiger junger
Mann, ein überaus sanftmütiges Wesen. Ich habe Stunden mit ihm verbracht, von
denen ich keine Sekunde bereue, aber ich kann ihn nicht von seinem Weg abbringen.«
    »Er hätte in die Wälder laufen
sollen. Das war sein Weg.«
    »Nicht alle von uns ...«
Cranmer senkt die Augen. »Vergeben Sie mir, aber nicht alle von uns sehen so
viele Wege wie Sie.«
    »Sie müssen ihn jetzt an
Stokesley übergeben, weil er in Stokesleys Diözese gefasst wurde.«
    »Als  der König mir diese
Würde gab, als er darauf bestand, dass ich diesen Sitz einnehme, habe ich nie
daran gedacht, dass es eine meiner ersten Handlungen sein würde, auf einen
jungen Mann wie John Frith zu treffen und zu versuchen, ihm seinen Glauben
auszureden.«
    Willkommen in der Welt hier
unten. »Ich kann nicht viel länger warten«, sagt Cranmer.
    »Ihre Frau auch nicht.«
    Die Straßen rund um Austin
Friars sind beinahe verlassen. Freudenfeuer brennen überall in der Stadt, und
die Sterne werden von Rauch verdunkelt. Seine Wachen sind am Tor: nüchtern,
wie er erfreut feststellt. Er bleibt auf ein Wort stehen; es ist eine Kunst, in
Eile zu sein, es aber nicht zu zeigen. Dann geht er hinein und sagt: »Ich
brauche Mistress Barre.«
    Die meisten aus dem Haushalt
sind ausgegangen, um die Feuer anzusehen, und werden bis Mitternacht
fortbleiben und tanzen. Sie haben die Erlaubnis

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