Mantel, Hilary
kleine Mann von seiner Scholle vertrieben wird und der Pflüger Haus
und Heim verliert. Aber in nur einer Generation können diese Menschen lesen
lernen. Der Pflüger kann ein Buch zur Hand nehmen. Glauben Sie mir, Gardiner,
England kann anders werden.«
»Ich habe Sie verärgert«,
bemerkt Gardiner. »Sie haben sich provozieren lassen und die Frage
missverstanden. Ich habe Sie nicht gefragt, ob ihr Wort etwas zählt, sondern
wie viele von ihnen Sie schwören lassen wollen. Aber natürlich, im Unterhaus
haben Sie eine Gesetzesvorlage gegen Schafe eingebracht...«
»Gegen die Halter von
Schafen«, sagt er lächelnd.
Der König sagt: »Gardiner, sie
dient dazu, den einfachen Leuten zu helfen — kein Schafzüchter soll mehr als
zweitausend Tiere grasen lassen ...«
Der Bischof schneidet seinem
König das Wort ab wie einem Kind. »Zweitausend, ja. Als o, während Ihre
Bevollmächtigten durch die Grafschaften toben und Schafe zählen, können Sie
den Schafhirten vielleicht auch gleich den Eid abnehmen, was? Und diesen
Pflügern im Alphabetisierungs-Wartestand. Und jeder Schlampe, die sie in einem
Graben finden?«
Er muss lachen. Der Bischof
ist so vehement. »Mylord, ich werde alle vereidigen, die nötig sind, damit die Thronfolge
gesichert und das Land hinter uns geeint wird. Der König hat seine Beamten,
seine Friedensrichter - und auch die Lords des Kronrats werden ihr Ehrenwort
geben, damit das Vorhaben glückt. Dann werden wir ja sehen.«
Henry sagt: »Die Bischöfe
werden den Eid ablegen. Ich hoffe, sie werden gefügig sein.«
»Wir brauchen ein paar neue
Bischöfe«, sagt Anne. Sie nennt ihren Freund Hugh Latimer. Seinen Freund
Rowland Lee. Es scheint, dass sie doch eine Liste hat; sie verwahrt sie im
Kopf. Liz hat Marmelade gemacht. Anne macht Pastoren.
»Latimer?« Stephen schüttelt
den Kopf, aber er kann die Königin nicht beschuldigen, kann ihr nicht ins
Gesicht sagen, dass sie Häretiker liebt. »Rowland Lee hat in seinem ganzen
Leben noch nie auf einer Kanzel gestanden, das weiß ich ganz sicher. Manche
Männer treten nur aus Ehrgeiz ins religiöse Leben ein.«
»Und haben kaum genug Anstand,
das zu verbergen«, sagt er.
»Ich mache das Beste aus
meinem Weg«, sagt Stephen. »Man hat mich auf ihn geschickt, und bei Gott, Cromwell,
ich gehe ihn.«
Er sieht zu Anne auf. Ihre
Augen glitzern vor Freude. Kein Wort entgeht ihr.
Henry sagt: »Mylord
Winchester, Sie waren lange Zeit außer Landes, in diplomatischer Mission.«
»Ich hoffe, Majestät ist der
Ansicht, dass sie von Nutzen für Sie war.«
»In der Tat, aber Sie konnten
nicht umhin, Ihre Diözese zu vernachlässigen.«
»Als Pastor sollten Sie auf
Ihre Schäfchen aufpassen«, sagt Anne. »Sie sollten sie vielleicht zählen.«
Stephen verbeugt sich. »Meine
Herde ist sicher im Pferch.«
Außer den Bischof persönlich
die Treppe hinunterzuwerfen oder von den Wachen wegschleppen zu lassen, kann
der König nicht mehr viel tun. »Und trotzdem, seien Sie so frei, sich um sie zu
kümmern«, murmelt Henry.
Es gibt einen urtümlichen
Geruch, der kurz vor dem Kampf aus dem Fell eines Hundes aufsteigt. Er
verbreitet sich jetzt im Raum; er sieht, dass Anne — überempfindlich — sich zur
Seite wendet und Stephen seine Hand auf die Brust legt, als wolle er sein Fell
sträuben und vor seiner Größe warnen, bevor er die Zähne fletscht. »Ich werde
mich in einer Woche wieder bei Eurer Majestät melden«, sagt er. Seine wohlklingend
formulierte Bekundung bricht als Knurren aus den Tiefen seiner Eingeweide
hervor.
Henry bricht in Gelächter aus.
»Unterdessen schätzen wir Cromwell. Cromwell behandelt uns sehr gut.«
Sobald Winchester gegangen
ist, hängt sich Anne wieder über den König; ihre Augen fliegen zur Seite, als
wolle sie ihn in eine Verschwörung einbeziehen. Annes Mieder ist noch eng
geschnürt, nur eine leichte Fülligkeit ihrer Brüste verweist auf ihren Zustand.
Es hat keine Ankündigung gegeben; Ankündigungen werden nie gemacht, denn
Frauenkörper sind eine unsichere Sache und Irrtümer können vorkommen. Aber der
ganze Hof ist sicher, dass sie den Erben erwartet, und sie sagt es auch selbst;
Äpfel werden dieses Mal nicht erwähnt, und alle Speisen, die sie begehrte, als
sie die Prinzessin erwartete, stoßen sie ab, und deshalb stehen die Zeichen
gut, dass es ein Junge wird. Diese Gesetzesvorlage, die er im Unterhaus einbringen
will, ist nicht die Vorwegnahme einer Katastrophe, wie sie denkt, sondern eine
Bestätigung ihrer
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