Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
Vom Netzwerk:
Stuhl. Er ist aus
Menschenknochen geschnitzt und mit Flammenkissen gepolstert.«
    »Ist er für mich?«
    »Gott segne Sie, nein. Für den
König.«
    »Haben Sie Wolsey irgendwo
gesichtet?«
    »Der Kardinal ist da, wo ich
ihn zurückgelassen habe.« Im Kreis der Ungeborenen. Sie macht eine Pause, eine
lange Pause. »Es heißt, es kann eine Stunde dauern, bis der Körper verbrennt.
Mutter Maria wird mich zu sich erheben. Ich werde in den Flammen baden, wie man
in einem Brunnen badet. Für mich werden sie kühl sein.« Sie sieht in sein
Gesicht, aber seine Miene bringt sie dazu, sich abzuwenden. »Manchmal stecken
sie Schießpulver in das Holz, richtig? Dann geht es schneller. Wie viele
werden mit mir gehen?«
    Sechs. Er nennt die Namen. »Es
hätten sechzig sein können. Wissen Sie das? Es war Ihre Eitelkeit, die sie an
diesen Punkt gebracht hat.«
    Als  er es sagt, denkt er, es
ist aber auch wahr, dass die Eitelkeit dieser Personen die Nonne an diesen
Punkt gebracht hat: Und er sieht, dass sie es vorgezogen hätte, wenn sechzig
sterben würden, wenn die Familien Exeter und Pole in Schande untergehen würden;
es hätte ihren Ruhm besiegelt. Aber warum wollte sie Katherine nicht als
Beteiligte an dem Komplott belasten, wenn das so ist? Was für ein Triumph wäre
es für jeden Propheten, eine Königin zu Fall zu bringen. Da haben wir's, denkt
er, ich hätte lieber nicht so raffiniert sein sollen, ich hätte ihre Gier nach
zweifelhafter Berühmtheit ausnutzen sollen. »Werde ich Sie nie wiedersehen?«,
sagt sie. »Oder werden Sie dabei sein, wenn ich leide?«
    »Dieser Thron«, sagt er.
»Dieser Stuhl aus Knochen. Es wäre besser, wenn Sie es für sich behielten. Wenn
der König es nicht hört.«
    »Aber das sollte er. Er sollte
davor gewarnt werden, was ihn nach dem Tod erwartet. Und was kann er mir
Schlimmeres antun als das, was er bereits plant?«
    »Sie wollen sich nicht auf
Ihren Bauch berufen?«
    Sie errötet. »Ich bekomme kein
Kind. Sie machen sich über mich lustig.«
    »Ich würde jedem raten, das
Leben mit allen Mitteln um ein paar Wochen zu verlängern. Sagen Sie, dass Sie
auf der Landstraße missbraucht worden sind. Sagen Sie, dass Ihre Wächter Sie
entehrt haben.«
    »Aber dann müsste ich sagen,
wer es getan hat, und er würde vor den Richter gestellt.«
    Er schüttelt den Kopf,
bemitleidet sie. »Wenn ein Wächter eine Gefangene schändet, nennt er ihr nicht
seinen Namen.«
    Wie dem auch sei, ihr gefällt
seine Idee nicht, das ist offenkundig. Er verlässt sie. Der Tower ist eine
kleine Stadt, und um ihn herum geht die morgendliche Geschäftigkeit polternd
weiter, die Wachen und die Männer von der Münzanstalt grüßen ihn, der Pfleger
der Tiere des Königs trottet herbei und sagt, es sei Zeit zum Mittagessen -
sie essen früh, die Tiere - und ob er vielleicht bei der Fütterung zusehen
wolle? Ich danke für das freundliche Angebot, sagt er, verzichtet aber auf das
Vergnügen; er hat noch nicht gefrühstückt, ihm ist ein wenig übel, und er kann
abgestandenes Blut riechen und aus der Richtung der Käfige das Trüffelgrunzen
und das erstickte Brüllen hören. Hoch oben auf den Mauern über dem Fluss pfeift
ein Mann, der nicht zu sehen ist, eine alte Melodie und bricht beim Refrain in
Gesang aus; er sei ein fröhlicher Förster, singt er. Was aller
Wahrscheinlichkeit nach unwahr ist.
    Er sieht sich nach seinen
Ruderern um. Er überlegt, ob die Magd krank ist und ob sie lange genug leben
wird, um getötet zu werden. Sie wurde in der Haft nie verletzt, nur
schikaniert, eine Nacht oder zwei wachgehalten, aber nicht länger, als die
Geschäfte des Königs ihn wachhalten, und keiner wird feststellen, denkt er,
dass ich irgendetwas gestehe. Es ist neun Uhr; um zehn gibt es etwas zu essen,
er trifft sich mit Norfolk und Audley, die hoffentlich nicht schreien und
riechen wie die königlichen Tiere. Eine zaghafte und eisige Sonne scheint;
Dampf schlängelt sich in Schleifen über den Fluss, ein Nebelgekritzel.
    In Westminster scheucht der
Herzog die Diener fort. »Wenn ich etwas trinken will, hole ich es mir selbst.
Macht schon, raus mit euch. Und schließt die Tür! Wenn irgendjemand am
Schlüsselloch lauert, werde ich ihn lebendig häuten und einsalzen!« Er dreht
sich um, leise fluchend, und setzt sich mit einem Grunzen auf seinen Stuhl.
»Und was ist, wenn ich ihn anbettle?«, sagt er. »Was ist, wenn ich auf die Knie
gehe und sage: Henry, um Himmels willen, streich Thomas More aus dem Strafbeschluss?«
    »Was

Weitere Kostenlose Bücher