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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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sein, er wird sagen, ich habe mich
nicht um deine Interessen gekümmert. »Und angenommen, eines Tages taucht ihr
Ehemann wieder auf?«
    »Sie haben ihr gesagt, sie sei
frei«, sagt Rafe. Er zittert.
    »Wer von uns ist schon frei?«
    Er erinnert sich daran, was
Helen gesagt hatte: »Als o könnte ich wieder heiraten. Wenn irgendjemand mich
will?« Er erinnert sich daran, wie sie ihn mit einem langen und
bedeutungsvollen Blick angesehen hatte, nur hatte er ihn nicht entschlüsselt.
Sie hätte ebenso gut Purzelbäume schlagen können, ohne dass er es bemerkt
hätte, sein Kopf war woanders, die Unterhaltung war für ihn beendet, und er war
in Gedanken weitergeeilt. Wenn ich sie für mich selbst gewollt und genommen
hätte, wer hätte mir Vorwürfe gemacht? Ich hätte eine Wäscherin ohne einen
Pfennig, sogar eine Bettlerin von der Straße heiraten können. Die Leute hätten
gesagt, das war es also, was Cromwell wollte, eine Schönheit mit geschmeidigem
Fleisch; kein Wunder, dass er die Witwen der City verschmäht hat. Er braucht
kein Geld, er braucht keine Beziehungen, er kann es sich leisten, seinem
Appetit nachzugeben: Er ist jetzt Erster Sekretär, und was kommt als Nächstes?
    Er starrt ins Wasser, das mal
braun ist, mal klar, wenn das Licht hineinfällt, aber immer in Bewegung; die
Fische in seinen Tiefen, die Gräser, die ertrunkenen Menschen mit schwimmenden
Knochenhänden.
    Auf dem Schlamm und den
Steinen liegen fortgeworfene Gürtelschnallen, Glasscherben, kleine verbeulte
Münzen mit dem ausgewaschenen Gesicht des Königs. Als  Junge fand er einmal ein
Hufeisen. Es schien ihm ein sehr glücklicher Fund zu sein. Aber sein Vater
sagte: Wenn Hufeisen Glück bringen, Junge, wäre ich der König vom Schlaraffenland.
     
    Zuerst geht er in den
Küchentrakt, um Thurston die Neuigkeit zu erzählen. »Na ja«, sagt der Koch
leichthin, »wo Sie die Arbeit sowieso schon machen.« Ein Kichern. »Bischof
Gardiner kocht bestimmt innerlich. Seine Innereien brutzeln im eigenen Fett.«
Er zieht schnell ein blutiges Tuch von einem Tablett. »Sehen Sie diese
Wachteln? Eine Wespe hat mehr Fleisch drauf.«
    »Schmoren?«, schlägt er vor.
»In Malvasier?«
    »Was, drei Dutzend? Das wäre
Verschwendung von gutem Wein. Ich mache ein paar für Sie, wenn Sie mögen. Sie
kommen von Lord Lisle in Calais. Wenn Sie ihm schreiben, sagen Sie, wenn er uns
noch eine Ladung schickt, wollen wir sie fetter oder überhaupt nicht. Werden
Sie daran denken?«
    »Ich merke es mir«, sagt er
ernst. »Von jetzt an, dachte ich, könnte sich der Kronrat hin und wieder hier
treffen, wenn der König nicht an der Sitzung teilnimmt. Wir könnten ihnen
vorher ein Essen servieren.«
    »Gut.« Thurston kichert.
»Norfolk könnte etwas Fleisch auf seinen dürren Beinchen gebrauchen.«
    »Thurston, Sie brauchen sich nicht
die Hände schmutzig zu machen - Sie haben genügend Personal. Sie könnten sich
eine Goldkette umhängen und herumstolzieren.«
    »Und Sie, werden Sie das auch
tun?« Ein nasser Geflügelklaps, dann sieht Thurston ihn an und wischt sich
ausgerupfte Federn von den Fingern. »Ich denke, ich lasse mir das lieber nicht
aus der Hand nehmen. Für den Fall, dass sich die Dinge zum Schlechteren wenden.
Ich sage nicht, dass sie das werden. Aber erinnern Sie sich an den Kardinal.«
    Er erinnert sich an Norfolk:
Sagen Sie ihm, dass er nach Norden gehen soll, oder ich komme zu ihm und reiße
ihn mit den Zähnen. Darf ich das Wort >beißen< einsetzen?
    Die Redewendung kommt ihm in
den Sinn: homo
homini lupus, der Mensch ist des Menschen Wolf.
     
    »Als o«, sagt er nach dem
Abendessen zu Rafe, »du hast dir einen Namen gemacht, Master Sadler. Du wirst
als vortreffliches Beispiel gelten, wie man nützliche Beziehungen verschwendet.
Väter werden ihre Söhne darauf hinweisen.«
    »Ich konnte nicht anders,
Sir.«
    »Wie, nicht anders?«
    Rafe sagt so trocken, wie es
ihm gelingt: »Ich bin außer mir vor Liebe.«
    »Wie fühlt sich das an? Ist es
genauso wie außer sich vor Wut sein?«
    »Ich denke schon. Vielleicht.
Insofern, als man sich lebendiger fühlt.«
    »Ich glaube nicht, dass ich
mich lebendiger fühlen kann, als ich bin.«
    Er fragt sich, ob der Kardinal
jemals verliebt war. Aber ja, natürlich, warum hat er daran gezweifelt? Die
überwältigende Leidenschaft Wolseys für Wolsey war heiß genug, um ganz England
zu versengen. »Sag mir, an diesem Abend, nachdem die Königin gekrönt wurde ...«
Er schüttelt den Kopf, dreht einige Papiere auf seinem

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