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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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schwören
würde, wäre ich verdammt.«
    »Es gibt Leute, die würden Sie
um Ihren Einblick in das Wirken der Gnade beneiden«, sagt er. »Aber schließlich
standen Sie und Gott immer auf freundschaftlichem Fuß, nicht wahr? Ich frage
mich, woher Sie die Unverfrorenheit nehmen, über Ihren Schöpfer zu sprechen,
als wäre er ein Nachbar, mit dem Sie am Sonntagnachmittag zum Angeln waren.«
    Audley beugt sich vor. »In
aller Klarheit: Sie werden den Eid nicht leisten, weil Ihr Gewissen Ihnen davon
abrät?«
    »Ja.«
    »Könnten Sie vielleicht etwas
ausführlicher antworten?«
    »Nein.«
    »Sie lehnen den Eid ab, wollen
aber nicht sagen, warum?«
    »Ja.«
    »Ist es das Gesetz, gegen das
Sie Einwände haben, oder die Form des Eides oder die Tatsache der Vereidigung
an sich?«
    »Ich würde es lieber nicht
sagen.«
    Cranmer versucht: »Bei einer
Gewissensfrage gibt es zwangsläufig Zweifel...«
    »Oh, aber es ist keine Laune.
Ich bin lange und sorgfältig mit mir zu Rate gegangen. Und in dieser
Angelegenheit höre ich die Stimme meines Gewissens ganz deutlich.« Er legt den
Kopf auf die Seite und lächelt. »Ist es bei Ihnen nicht so, Mylord?«
    »Trotzdem, Sie müssen doch ein
wenig perplex sein. Sie sind doch ein Gelehrter, sind vertraut mit Kontroversen
und Debatten und müssten sich fragen: Wie können so viele gebildete Männer auf
der einen Seite stehen und ich auf der anderen? Aber eines ist sicher, und das
ist, dass Sie Ihrem König einen natürlichen Gehorsam schulden wie jeder
Untertan. Und als Sie vor langer Zeit in den Kronrat aufgenommen wurden, legten
Sie einen ganz speziellen Eid ab, ihm zu gehorchen. Wollen Sie dem nicht
nachkommen?« Cranmer blinzelt. »Wägen Sie zwischen dieser Gewissheit und Ihren
Zweifeln ab und schwören Sie.«
    Audley setzt sich in seinem
Stuhl zurück. Die Augen geschlossen. Als  wolle er sagen: Mehr als das wird uns
nicht gelingen.
    More sagt: »Als  Sie zum
Erzbischof geweiht wurden, nachdem der Papst Sie ernannt hatte, haben Sie Ihren
Eid auf Rom geleistet, aber den ganzen Tag über, so sagt man, hielten Sie
während der Zeremonien ein kleines zusammengefaltetes Stück Papier in der Hand,
auf dem stand, dass Sie den Eid unter Protest ablegen. Das ist doch wahr? Man
sagt, das Papier wurde von Master Cromwell hier geschrieben.«
    Audley reißt die Augen auf: Er
denkt, More hat sich selbst den Ausweg gezeigt. Aber Mores lächelndes Gesicht
ist eine Maske der Boshaftigkeit. »Ein solcher Jongleur möchte ich nicht sein«,
sagt er ruhig. »Ich möchte dem Herrn, meinem Gott, kein solches Puppentheater
bieten, geschweige denn den Gläubigen Englands. Sie sagen, Sie haben die
Mehrheit. Ich sage, ich habe sie. Sie sagen, das Parlament steht hinter Ihnen,
und ich sage, all die Engel und Heiligen stehen hinter mir und die Gemeinschaft
der christlichen Toten mit all ihren Generationen, seit die Kirche Christi
gegründet wurde, ein Leib, ungeteilt...«
    »Ach, um Christi willen!«,
sagt er. »Eine Lüge ist nicht weniger eine Lüge, weil sie eintausend Jahre alt
ist. Ihre ungeteilte Kirche hat nichts lieber getan, als ihre eigenen
Mitglieder zu verfolgen, sie zu verbrennen und zu zerstückeln, wenn sie ihrem
Gewissen treu waren, ihre Bäuche aufzuschlitzen und ihre Eingeweide an die
Hunde zu verfüttern. Sie rufen die Geschichte zu Hilfe, aber was ist die
Geschichte für Sie? Sie ist ein Spiegel, der Thomas More schmeichelt. Aber ich
habe einen anderen Spiegel, ich halte ihn in die Höhe und er zeigt einen
eitlen und gefährlichen Mann, und wenn ich ihn umdrehe, zeigt er einen Mörder,
denn Sie werden Gott weiß wie viele mit sich reißen, und die werden nur das
Leiden erfahren und nicht Ihre Genugtuung darüber, ein Märtyrer zu sein. Sie
sind keine einfache Seele, also versuchen Sie nicht, die Sache einfach zu
machen. Wissen Sie eigentlich, dass ich große Achtung für Sie empfunden habe?
Wissen Sie, dass ich große Achtung für Sie empfunden habe, seit ich ein Kind
war? Ich würde lieber meinen eigenen Sohn tot sehen, würde lieber sehen, wie
ihm der Kopf abgeschlagen wird, als zu sehen, dass Sie den Eid verweigern und
damit allen Feinden Englands Befriedigung verschaffen.«
    More sieht auf. Für den
Bruchteil einer Sekunde sieht er ihm in die Augen, dann wendet er sich ruhig
ab. Sein leises, amüsiertes Gemurmel: Allein dafür könnte er ihn töten.
»Gregory ist ein stattlicher junger Mann. Wünschen Sie ihn nicht fort. Wenn er
bis jetzt keine glänzenden Leistungen erbracht hat, so

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