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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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uns arme Engländer.
    »Nein, Mylord. Es ist unmöglich, dass er das getan
haben sollte.«
    »Wissen Sie das genau?«
    »Ich weiß es aus Erfahrung.«
    Der Herzog verzagt. Norfolk
soll ruhig denken, dass zu seinen früheren Taten das Herausreißen von Herzen
gehört. »Ich vermute, Sie haben recht.« Norfolk bekreuzigt sich. »Es muss eine
Stimme aus der Menge gewesen sein.«
     
    Am Abend bevor die Mönche ihr
Ende fanden, hatte er eine Besuchserlaubnis für Margaret Roper unterzeichnet,
die erste seit Monaten. Ganz bestimmt, denkt er, wird Meg ihren Entschluss
revidieren, wenn sie zusammen mit ihrem Vater sieht, wie Verräter zu ihrer
Hinrichtung geführt werden, ganz bestimmt wird sie zu ihrem Vater sagen: Pass
auf, der König ist in Mordlaune, du musst den Eid leisten, wie ich es getan
habe. Mach einen geistigen Vorbehalt, kreuze die Finger hinter dem Rücken, aber
frag nach Cromwell oder einem sonstigen Beamten des Königs, sprich die Worte
und komm nach Hause.
    Aber seine Taktik versagt. Sie
und ihr Vater standen trockenen Auges an einem Fenster, als die Verräter - noch
im Habit - herausgebracht und auf die Reise nach Tyburn geschickt wurden. Ich
vergesse immer, denkt er, dass More sich weder selbst bemitleidet noch Mitleid
für andere empfindet. Weil ich meine eigenen Mädchen vor einem solchen Anblick
bewahrt hätte, dachte ich, er würde es auch tun. Aber er benutzt Meg, um seine
Entschlossenheit zu stärken. Wenn sie nicht nachgibt, kann er es auch nicht;
und sie wird nicht nachgeben.
    Am nächsten Tag geht er selbst
in den Tower, um More zu sehen. Unter seinen Füßen zischt und spritzt der Regen
auf den Steinen; Mauern und Wasser sind nicht unterscheidbar, und um kleine
Ecken herum stöhnt ein Wind wie im Winter. Als  er sich aus seinen nassen
äußeren Hüllen gemüht hat, bleibt er stehen und spricht mit dem Aufseher
Martin, um die Neuigkeiten über dessen Frau und das Neugeborene zu erfahren.
Wie werde ich ihn vorfinden, fragt er schließlich, und Martin sagt: Ist Ihnen
je aufgefallen, wie er eine Schulter nach oben zieht und die andere hängen
lässt?
    Das kommt vom übermäßigen
Schreiben, sagt er. Ein Ellenbogen auf dem Tisch, die andere Schulter gesenkt.
Nun, wie auch immer, Martin sagt: Er sieht aus wie ein kleiner geschnitzter
Buckliger an einer Bankwange.
    More hat seinen Bart wachsen
lassen; er sieht aus, wie man sich die Propheten von Münster vorstellt,
obgleich er den Vergleich verabscheuen würde. »Master Secretary, wie nimmt der
König die Nachrichten aus dem Ausland auf? Es heißt, die Truppen des Kaisers
haben sich in Bewegung gesetzt.«
    »Ja, aber nach Tunis, glaube
ich.« Er wirft einen Blick auf den Regen. »Wenn Sie der Kaiser wären, würden
Sie nicht auch eher Tunis wählen als London? Hören Sie, ich bin nicht gekommen,
um mit Ihnen zu streiten. Nur um zu sehen, ob Sie sich wohlfühlen.«
    More sagt: »Ich höre, Sie
haben meinem Narr den Eid abgenommen, Henry Pattinson.« Er lacht.
    »Wohingegen die Männer, die
gestern starben, Ihrem Beispiel gefolgt sind und den Eid verweigert haben.«
    »Ich will es ganz deutlich
machen. Ich bin kein Beispiel. Ich bin nur ich selbst, stehe für mich allein.
Ich sage nichts gegen die Suprematsakte. Ich sage nichts gegen die Männer, die
sie gemacht haben. Ich sage nichts gegen den Eid oder gegen irgendeinen Mann,
der ihn schwört.«
    »Ach ja«, er setzt sich auf
die Truhe, in der More seine Besitztümer verwahrt, »aber all dieses
Nichts-Sagen wird für die Geschworenen nicht angehen, wissen Sie. Sollte es
dazu kommen.«
    »Sie sind gekommen, um mir zu
drohen.«
    »Die kriegerischen Heldentaten
des Kaisers lassen den König ungeduldig werden. Er beabsichtigt, Ihnen eine
Kommission zu schicken, die in Bezug auf seinen Titel eine eindeutige Antwort
haben will.«
    »Oh, ich bin sicher, dass Ihre
Freunde zu gut für mich sein werden. Lord Audley? Und Richard Riehe? Hören Sie.
Seit ich hierhergekommen bin, bereite ich mich auf meinen Tod von Ihrer Hand
vor - ja, von Ihrer - oder von der Hand der Natur. Ich brauche nichts als
Frieden und Stille für meine Gebete.«
    »Sie wollen Märtyrer sein.«
    »Nein, ich möchte nach Hause.
Ich bin schwach, Thomas. So schwach wie wir alle. Ich möchte, dass der König
mich als seinen Diener annimmt, seinen liebenden Untertan, der zu sein ich nie
aufgehört habe.«
    »Ich habe nie verstanden, wo
die Grenze zwischen Opfer und Selbstschlachtung gezogen wird.«
    »Christus hat sie gezogen.«
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