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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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Güldenen Tuches
übergesetzt hat. Seine Reise geht gemächlich voran, bevor er sich einschifft:
Dartford, Rochester, Faversham, drei oder vier Tage Canterbury, Gebete an
Beckets Grabmal.
    Nun, Thomas, sagt er, wenn Sie
wissen, dass der König Anne gehabt hat, lassen Sie mir noch am selben Tag
einen Brief zukommen. Ich traue der Nachricht nur, wenn ich sie von Ihnen
erhalte. Woran Sie erkennen sollen, dass es passiert ist? Ich würde meinen, Sie
erkennen es an seinem Gesicht. Und wenn Sie nicht die Ehre haben, es zu sehen?
    Guter Einwand. Ich wünschte,
ich hätte Sie dem König vorgestellt; ich hätte die Gelegenheit nutzen sollen,
als ich sie hatte.

»Wenn der König nicht zügig
das Interesse an Anne verliert«, sagt er zum Kardinal, »weiß ich nicht, wie Sie
vorgehen sollen. Wir wissen, dass Fürsten nach Belieben zugreifen, und
normalerweise kann man ihre Handlungen trotzdem mit ein wenig Glanz versehen.
Aber was können Sie zugunsten von Boleyns Tochter vorbringen? Was bringt sie
ihm? Keinen Vertrag. Kein Land. Kein Geld. Wie sollen Sie das je als rühmliche
Verbindung darstellen?«
    Wolsey sitzt mit aufgestützten
Ellenbogen an seinem Schreibtisch, seine Finger betupfen die geschlossenen
Lider. Er atmet tief ein und beginnt zu sprechen. Er beginnt über England zu
sprechen.
    Man kann Albion nur verstehen,
sagt er, wenn man in eine Zeit zurückgeht, in der an Albion noch nicht zu
denken war. Zurück zu den Tagen noch vor Caesars Legionen, als die Knochen
riesiger Tiere und Menschen auf dem Boden lagen, auf dem eines Tages London erbaut
werden würde. Man muss zurückgehen zum Neuen Troja, zum Neuen Jerusalem, zu den
Sünden und Verbrechen der Könige, die unter den zerfetzten Bannern Arthurs
ritten und Frauen heirateten, die aus dem Meer kamen oder aus Eiern schlüpften,
Frauen mit Schuppen und Flossen und Federn; daneben, sagt er, sieht die
Verbindung mit Anne weniger ungewöhnlich aus. Es sind alte Geschichten, sagt
er, aber wir sollten uns daran erinnern, dass einige Menschen sie wirklich
glauben.
    Er spricht über den Tod
einiger Könige: davon, wie der zweite Richard in Pontefract Castle verschwand
und dort ermordet wurde oder verhungerte; wie der vierte Henry, der Usurpator,
an der Lepra starb, die seinen Körper so vernarben und schrumpfen ließ, dass er
nur noch so groß wie ein Zwerg oder ein Kind war. Er spricht von den Siegen des
fünften Henry in Frankreich und von dem Preis - die Rede ist nicht von Geld -,
der für Azincourt bezahlt werden musste. Er spricht von der französischen
Prinzessin, die dieser große Prinz heiratete; sie war eine reizende Dame, aber
ihr Vater war geisteskrank und glaubte, er wäre aus Glas. Dieser Ehe - zwischen
dem fünften Henry und der Glasprinzessin - entsprang ein weiterer Henry, der
ein England regierte, das so dunkel war wie der Winter, kalt, unfruchtbar,
unselig. Edward Plantagenet, Sohn des Herzogs von York, kam als erstes
Anzeichen des Frühlings: geboren im Sternzeichen des Widders, des Zeichens, in
dem die ganze Welt geschaffen wurde.
    Als Edward achtzehn Jahre alt
war, eroberte er das Königreich und tat es wegen eines Zeichens, das er
erhalten hatte. Seine Truppen waren ratlos und kampfmüde, es war die dunkelste
Zeit in einem von Gottes dunkelsten Jahren, und er hatte gerade die Nachricht
erhalten, die ihn hätte brechen müssen: Sein Vater und sein jüngster Bruder
waren von Truppen des Hauses Lancaster gefangen, gedemütigt und abgeschlachtet
worden. Es war Lichtmess; mit seinen Generälen kauerte er in seinem Zelt und
betete für die getöteten Seelen. Der Blasiustag kam: 3. Februar, schwarz und
eisig. Um zehn Uhr morgens gingen drei Sonnen am Himmel auf: Drei undeutliche
Silberscheiben schimmerten durch den frostigen Dunst. Ihr Lichtkranz
verbreitete sich über die tristen Felder, über die durchnässten Wälder des
walisischen Grenzlands, über seine demoralisierten und unbesoldeten Truppen.
Seine Männer knieten sich zum Gebet auf den gefrorenen Boden. Seine Ritter machten
einen Kniefall vor dem Himmel. Sein Leben bekam Flügel und flog davon. In
diesem strahlenden Licht sah er seine Zukunft. Als niemand anders sehen konnte,
konnte er sehen: Und genau das bedeutet es, ein König zu sein. In der Schlacht
von Mortimer's Cross nahm er einen gewissen Owen Tudor gefangen. Er köpfte ihn
auf dem Marktplatz von Hereford und steckte seinen Kopf zum Verfaulen auf das
Marktkreuz. Eine unbekannte Frau kam mit einer Schüssel Wasser und wusch den
abgetrennten

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