Mantel, Hilary
sind
und den Schlamm der Themse anreichern. Er spricht über König Edwards zwei verschwundene
Söhne, von denen der jüngere zu so störrischen Wiederauferstehungen neigte,
dass sie Henry Tudor fast aus seinem Königreich vertrieben hätten. Er spricht
von den Münzen, die der Thronanwärter mit einer Botschaft für den Tudor-König
prägte: »Deine Tage sind gezählt. Man hat dich in einer Waage gewogen: und für
zu leicht befunden.«
Er spricht von der Furcht vor
einem Wiederaufbranden des Bürgerkriegs, die damals herrschte. Es wurde
vertraglich festgelegt, dass Katherine nach England heiraten würde; sie war
»Princess of Wales« genannt worden, seit sie drei Jahre alt war; aber bevor
ihre Familie ihr erlaubte, sich in La Coruna einzuschiffen, forderte sie einen
Preis in Blut und Knochen. Sie verlangten von Henry, seine Aufmerksamkeit auf
den wichtigsten Thronanwärter der Plantagenets zu richten, den Neffen König
Edwards und des bösen Königs Richard, den Henry im Tower festgehalten hatte,
seit er zehn Jahre alt war. Auf sanften Druck hin kapitulierte Henry; die
Weiße Rose, vierundzwanzig Jahre alt, wurde hinaus in Gottes Licht und Luft
gebracht, damit man ihr den Kopf abschlagen konnte. Aber es gibt immer noch
eine weitere Weiße Rose; die Plantagenets pflanzen sich fort, wenn auch nicht
unbeaufsichtigt. Es wird immer die Notwendigkeit geben weiterzutöten; man muss
das, sagt der Kardinal, aushalten können, obwohl ich nicht weiß, ob ich das je
konnte; ich bin immer krank, wenn eine Hinrichtung ansteht. Ich bete für sie,
für die Toten. Ich bete sogar manchmal für den bösen König Richard, obwohl Thomas
More sagt, dass er in der Hölle schmort.
Wolsey sieht auf seine Hände
und dreht die Ringe an seinen Fingern. »Ich frage mich«, murmelt er. »Frage
mich, welcher es ist.« Die Neider des Kardinals behaupten, er habe einen Ring,
der seinen Besitzer befähigt zu fliegen und der es ihm ermöglicht, den Tod
seiner Feinde zu bewirken. Der Ring entdeckt Gift, lässt wilde Tiere zahm
werden, gewinnt die Gunst von Fürsten und schützt vorm Ertrinken.
»Ich vermute, andere Leute
wissen es, Mylord. Denn sie haben Zauberer beauftragt, ihn zu kopieren.«
»Wenn ich es wüsste, würde ich
ihn selbst kopieren lassen. Ich würde Ihnen einen geben.«
»Ich habe mal eine Schlange in die Hand genommen. In
Italien.«
»Warum haben Sie das getan?«
»Es war eine Wette.«
»War sie giftig?«
»Das wussten wir nicht. Darum
ging es ja bei der Wette.«
»Hat sie Sie gebissen?«
»Natürlich.«
»Was heißt natürlich?«
»Sonst wäre es doch keine gute
Geschichte, oder? Wenn ich sie unverletzt wieder abgelegt hätte. Und sie wäre
einfach davongeglitten?«
Ohne es zu wollen, lacht der
Kardinal. »Was mache ich nur ohne Sie«, sagt er, »bei diesen doppelzüngigen
Franzosen?«
Im Haus in Austin Friars liegt
Liz im Bett, aber sie bewegt sich im Schlaf. Sie wacht halb auf, sagt seinen
Namen und schmiegt sich in seine Arme. Er küsst ihr Haar und sagt: »Der
Großvater unseres Königs hat eine Schlange geheiratet.«
Liz murmelt: »Schlafe ich oder
bin ich wach?« Ein Herzschlag, und sie gleitet weg von ihm, dreht sich um und
streckt einen Arm aus; er fragt sich, was sie träumen wird. Er liegt wach,
denkt nach. Alles, was Edward getan hat, seine Schlachten, seine Eroberungen,
geschah mit dem Geld der Medici im Rücken; ihre Kreditbriefe waren wichtiger
als Zeichen und Wunder. Wenn König Edward, wie viele Leute behaupten, gar nicht
der Sohn seines Vaters war, nicht der Sohn des Herzogs von York; wenn König
Edwards Mutter, wie manche Leute fest glauben, ihn mit einem ehrlichen
englischen Soldaten gezeugt hat, einem Bogenschützen namens Blaybourne, und
wenn Edward dann eine Schlangenfrau geheiratet hat, wären seine Nachkommen ...
Anfechtbar ist das Wort, das ihm in den Kopf schießt. Wenn all die alten
Geschichten wahr wären, und einige Leute glauben das, was wir nicht vergessen
wollen, dann ist unser König zu einem Teil Bogenschützenbastard, zu einem
zweiten Teil heimliche Schlange, zu einem weiteren Teil Waliser, und alles in
allem hat er Schulden bei den italienischen Banken ... Auch er gleitet dahin,
treibt in den Schlaf. Seine Buchhaltung versagt; die Welt der Geister übernimmt,
wo vorher Seiten mit Zahlen waren. Versuchen Sie immer zu erfahren, sagt der
Kardinal, was die Leute unter ihrer Kleidung tragen, denn es ist nicht nur ihre
Haut. Dreh den König auf links, und du findest seine schuppigen
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