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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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in Falten. »Ihr Fürbitter,
Thomas«, sagt er, als er davonschlendert.
    Als  Mores erste Frau starb,
war ihre Nachfolgerin im Haus, bevor der Leichnam kalt war. More wäre Priester
geworden, aber das Fleisch rief ihn mit seinen lästigen Bedürfnissen. Er wollte
kein schlechter Priester sein, deshalb wurde er Ehemann. Er hatte sich in ein
sechzehnjähriges Mädchen verliebt, aber ihre Schwester war mit siebzehn noch
unverheiratet; er nahm die ältere, damit ihr Stolz nicht verletzt wurde. Er
liebte sie nicht; sie konnte nicht lesen oder schreiben; er hoffte, das ließe
sich beheben, aber anscheinend klappte es nicht. Er versuchte, sie dazu zu
bringen, Predigten auswendig zu lernen, aber sie nörgelte bloß und beharrte
störrisch auf ihrer Ignoranz; er brachte sie zu ihrem Vater nach Hause, der
vorschlug, sie zu schlagen, das erschreckte sie so sehr, dass sie schwor, sich
nicht mehr zu beklagen. »Und sie hat es auch nie getan«, sagt More dazu. »Aber
sie hat auch keine Predigten auswendig gelernt.« Offenbar stellten ihn die
Verhandlungen zufrieden: Auf allen Seiten wurde die Ehre gewahrt. Die störrische
Frau schenkte ihm Kinder, und als sie mit vierundzwanzig starb, heiratete er
eine Witwe fortgeschrittenen Alters und Starrsinns aus der City: noch eine,
die nicht lesen konnte. Das ist es: Wenn du schon Nachsicht mit dir übst und
dir eine Frau gönnst, ist es besser für dein Seelenheil, wenn du sie absolut
nicht leiden kannst.
    Kardinal Campeggio, den der
Papst auf Wolseys Bitte hin nach England schickt, war ein verheirateter Mann,
bevor er Priester wurde. Deshalb eignet er sich ganz besonders dafür, Wolsey -
der natürlich keine Erfahrung mit Eheproblemen hat - auf der nächsten Etappe
des Weges zu helfen, der letztlich dahin führen wird, die Erfüllung des
Herzenswunschs des Königs zu vereiteln. Obwohl sich die kaiserliche Armee aus
Rom zurückgezogen hat, haben die Verhandlungen im Frühling keine klaren
Ergebnisse gebracht. Stephen Gardiner war mit einem Brief in Rom, in dem der
Kardinal Lady Anne rühmt und versucht, allen eventuellen Vorstellungen des
Papstes entgegenzuwirken, dass der König bei seiner Brautwahl starrsinnig und
launenhaft sei. Der Kardinal hatte lange über dem Brief mit der Aufzählung
ihrer Tugenden gebrütet, hatte ihn eigenhändig geschrieben.
    »Weibliche Bescheidenheit ...
Keuschheit ... kann ich Keuschheit sagen?«
    »Kann nicht schaden.«
    Der Kardinal sah auf. »Wissen
Sie was?« Er zögerte und sah wieder auf den Brief. »In der Lage, Kinder zu
bekommen? Nun, ihre Familie ist fruchtbar. Eine liebevolle und treue Tochter
der Kirche ... Vielleicht etwas übertrieben ... man hört, sie hat die Heilige
Schrift auf Französisch in ihrer Kammer und lässt ihre Frauen darin lesen,
aber das weiß ich nicht mit Gewissheit...«
    »König Francois erlaubt die
Bibel auf Französisch. Sie hat sich dort mit der Heiligen Schrift vertraut
gemacht, vermute ich.«
    »Ach, aber Frauen, wissen Sie.
Dass Frauen die Bibel lesen, ist ein weiterer umstrittener Punkt. Weiß sie
eigentlich, was Bruder Martin für den angemessenen Platz der Frau hält? Wir
sollten nicht trauern, sagt er, wenn eine Frau oder Tochter im Kindbett stirbt
- sie tut nur, wofür Gott sie geschaffen hat. Sehr streng, der Bruder Martin,
sehr unbeugsam. Aber vielleicht ist sie gar keine Bibel-Frau. Vielleicht ist
es nur üble Nachrede. Vielleicht hat sie einfach keine Geduld mit Geistlichen
mehr. Ich wünschte, sie würde mir nicht die Schuld für ihre Schwierigkeiten
geben. Ich wünschte, sie wäre nicht so nachtragend.«
    Lady Anne lässt dem Kardinal
freundliche Botschaften überbringen, aber er glaubt, dass sie unaufrichtig
sind. »Wenn ich«, hatte Wolsey gesagt, »die Möglichkeit einer Annullierung für
den König sähe, würde ich persönlich in den Vatikan gehen, mir die Venen öffnen
lassen und erlauben, dass die Dokumente mit meinem Blut geschrieben werden.
    Glauben Sie, wenn Anne das
wüsste, würde es sie zufriedenstellen? Nein? Das habe ich mir gedacht. Aber
wenn Sie einen Boleyn sehen, machen Sie ihm trotzdem das Angebot. Übrigens, ich
vermute, Sie kennen eine Person namens Humphrey Monmouth? Es ist der Mann, der
Tyndale sechs Monate lang in seinem Haus hatte, bevor er weggelaufen ist, wohin
auch immer. Es heißt, Monmouth schickt ihm immer noch Geld, aber das kann ja
gar nicht stimmen, denn woher sollte er wissen, wohin er es schicken muss?
Monmouth ... ich erwähne nur seinen Namen. Weil ... warum denn

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