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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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zwei Jahren wieder in England war, obwohl
er den großen Mann noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte; aber bereits zu
diesem Zeitpunkt war es nützlich einen Mann wie ihn, Cromwell, zu beschäftigen.
Er arbeitete bei verschiedenen wirren Rechtsstreitigkeiten für die Familie
Dorset. Darüber hinaus schickte die alte Marquise ihn auf die Suche nach
Bettvorhängen und Teppichen. Senden Sie das. Kommen Sie her. In ihren Augen
stand die ganze Welt zu ihren Diensten. Wenn sie einen Hummer oder einen Stör
wollte, bestellte sie ihn, und wenn sie guten Geschmack wollte, bestellte sie
ihn ebenso. Die Marquise fuhr mit der Hand über florentinische Seidenstoffe und
quiekte vor Freude. »Sie haben das gekauft, Master Cromwell«, sagte sie dann.
»Und es ist sehr schön. Ihre nächste Aufgabe ist, einen Weg zu finden, wie wir
es bezahlen.«
    Irgendwo in diesem Irrgarten
aus Pflichten und Schuldigkeiten traf er Henry Sadler und willigte ein, dessen
Sohn in seinen Haushalt aufzunehmen. »Lehren Sie ihn alles, was Sie wissen«,
schlug Henry ein bisschen ängstlich vor. Sie vereinbarten, dass er Rafe auf
seinem Rückweg von Geschäften abholen würde, aber er hatte einen schlechten
Tag gewählt: Schlamm und heftiger Regen, Wolken, die von der Küste herangejagt
wurden. Es war kurz nach zwei, als er völlig durchnässt vor der Tür stand, aber
es wurde bereits dunkler. Henry Sadler sagte: Können Sie nicht hierbleiben, Sie
werden es nicht bis London schaffen, bevor die Tore geschlossen werden. Ich
muss versuchen, heute Abend zu Hause zu sein, sagte er. Ich habe bei Gericht zu
tun, und dann muss ich Lady Dorsets Schuldeneintreiber in Schach halten, und
Sie wissen, was das heißt ... Mistress Sadler sah ängstlich nach draußen und
auf ihr Kind: von dem sie sich jetzt trennen musste, das sie mit sieben Jahren
dem Wetter und den Straßen anvertrauen sollte.
    Das ist nicht hart, das ist
normal. Aber Rafe war so klein, dass er, Cromwell, es beinahe hart fand. Man
hatte ihm seine kindlichen Locken abgeschnitten, sein rotes Haar stand am
Scheitel nach oben. Seine Mutter und sein Vater knieten sich hin und umarmten
ihn. Dann hüllten, wickelten, knoteten sie ihn in mehrere Schichten üppige und
überflüssige Kleidung, sodass sein zierlicher Körper anschwoll und einem
kleinen Fass glich. Er sah auf das Kind hinab, nach draußen auf den Regen und
dachte: Manchmal sollte ich es warm und trocken haben wie andere Menschen; wie
schaffen sie das, während es mir nie gelingt? Mistress Sadler kniete sich hin
und nahm das Gesicht ihres Sohnes in die Hände. »Denk an alles, was wir dir
gesagt haben«, flüsterte sie. »Sprich deine Gebete. Master Cromwell, ich bitte
Sie: Achten Sie darauf, dass er seine Gebete spricht.«
    Als  sie aufblickte, sah er,
dass ihre Augen in Tränen schwammen, und er sah, dass das Kind es nicht
ertragen konnte, in seiner gewaltigen Hülle zitterte und gleich schreien würde.
Er warf sich seinen Umhang um. Dabei taufte ein kleiner Schauer Regentropfen
die Szene. »Nun, Rafe, was denkst du? Wenn du Manns genug bist...« Er streckte
die behandschuhte Hand aus. Die Hand des Kindes glitt hinein. »Wollen wir
sehen, wie weit wir kommen?«
    Und zwar so schnell, dass du
nicht zurückschaust, dachte er. Wind und Regen trieben die Eltern von der
offenen Tür zurück. Er warf Rafe in den Sattel. Der Regen kam fast waagrecht
auf sie zu. Am Stadtrand von London ließ der Wind nach. Damals lebte er in der
Fenchurch Street. An der Tür streckte ein Diener die Arme aus, um ihm Rafe abzunehmen,
aber er sagte: »Wir ertrunkenen Männer halten zusammen.«
    Das Kind war zu einer leblosen
Last in seinen Armen geworden, zusammengesunkenes Fleisch in sieben
durchnässten Lagen ineinander verschlungener Wolle. Er stellte Rafe vor das
Feuer; Dampf stieg von ihm auf. Die Wärme ließ ihn die kleinen gefrorenen
Finger ausstrecken und zögernd damit beginnen, die Hüllen abzulegen, sich zu
entwirren. Wo sind wir hier?, sagte er mit deutlicher, höflicher Stimme.
    »London«, sagte er. »Fenchurch
Street. Zu Hause.«
    Er nahm ein Leinentuch und
tupfte dem Jungen vorsichtig die gerade überstandene Reise vom Gesicht. Er
rieb ihm den Kopf. Rafes Haare standen stachelig nach oben. Liz kam herein.
»Himmel hilf: Junge oder Igel?« Rafe wandte ihr sein Gesicht zu. Er lächelte.
Er schlief im Stehen ein.
     
    Als in diesem Sommer, 1528, das Schweißfieber
zurückkehrt, sagen die Leute genau wie im letzten Jahr, dass man es nicht
bekommt, wenn man nicht

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