Mantel, Hilary
eigentlich?« Der
Kardinal hatte die Augen geschlossen. »Weil ich ihn nur erwähne.«
Der Bischof von London hat
seine Gefängnisse bereits gefüllt. Er sperrt Lutheraner und Sektierer in
Newgate und Fleet zusammen mit gewöhnlichen Verbrechern ein. Dort bleiben sie, bis
sie widerrufen und öffentlich Buße tun. Wenn sie rückfällig werden, werden sie
verbrannt; es gibt keine zweite Chance.
Als Monmouths Haus durchsucht
wird, finden sie nirgendwo eine verdächtige Schrift. Fast so, als wäre er
gewarnt worden. Es gibt weder Bücher noch Briefe, die ihn mit Tyndale und
seinen Freunden in Verbindung bringen. Trotzdem wird er in den Tower gebracht.
Seine Familie hat große Angst. Monmouth ist ein sanfter und fürsorglicher
Mann, ein Meister des Textilhandels, sehr beliebt in seiner Gilde und in der
Stadt. Er liebt die Armen und kauft sogar Tuch ein, wenn die Geschäfte nicht
gut gehen, damit die Weber ihre Arbeit nicht verlieren. Ohne Zweifel verfolgt
seine Inhaftierung den Zweck, ihn zu brechen; sein Geschäft ist bereits ins
Trudeln geraten, als er wieder entlassen wird. Sie müssen ihn wegen Mangels an
Beweisen gehen lassen, denn aus einem Haufen Asche im Herd kann man nichts
machen.
Monmouth selbst wäre ein
Haufen Asche, wenn es nach Thomas More gegangen wäre. »Sie sind uns noch nicht
besuchen gekommen, Master Cromwell?«, sagt er. »Brechen Sie immer noch
trockenes Brot in dunklen Kellern? Ach kommen Sie, meine Zunge ist schärfer,
als Sie es verdienen. Wir sollten Freunde sein, wissen Sie.«
Es
klingt wie eine Drohung. More entfernt sich, schüttelt den Kopf: »Wir sollten
Freunde sein.«
Asche, trockenes Brot. England
war immer, sagt der Kardinal, ein unglückliches Land, Heimat eines
ausgestoßenen und verlassenen Volkes, das langsam auf seine Erlösung
hinarbeitet und das von Gott besonderes Leiden auferlegt bekommt. Falls
wirklich Gottes Fluch oder ein böser Bann über England liegt, schien es eine
Zeitlang so, als ob der Bann gebrochen wäre - durch den goldenen König und
seinen goldenen Kardinal. Aber jene goldenen Jahre sind vorbei, und in diesem
Winter wird das Meer zufrieren; die Leute, die es beobachten, werden sich ihr
ganzes Leben lang daran erinnern.
Johane ist in das Haus in
Austin Friars eingezogen, zusammen mit ihrem Mann John Williamson und ihrer
Tochter, der kleinen Johane — Jo nennen die Kinder sie; sie ist offensichtlich
zu klein für einen ganzen Namen. John Williamson wird im Geschäft Cromwells
benötigt. »Thomas«, sagt Johane, »was genau ist denn momentan dein Geschäft?«
So verwickelt sie ihn in ein
Gespräch. »Unser Geschäft«, sagt er, »ist es, die Leute reich zu machen. Es
gibt viele Möglichkeiten, das zu tun, und John wird mir dabei helfen.«
»Aber John wird nichts mit dem
Lordkardinal zu tun haben, oder?«
Es wird getratscht, dass Leute
- einflussreiche Leute - sich beim König beschwert haben und dass sich der
König wiederum bei Wolsey beschwert hat, weil er klösterliche Einrichtungen
geschlossen hat. Sie denken nicht an den guten Zweck, für den der Kardinal die
Vermögenswerte eingesetzt hat; sie denken nicht an seine Colleges, die Lehre,
die er fördert, die Bibliotheken, die er gründet. Sie sind nur daran interessiert,
die Beute in die eigenen Finger zu kriegen. Und weil sie von dem Geschäft
ausgeschlossen wurden, geben sie vor zu glauben, dass die Mönche nackt und
lamentierend auf der Straße ausgesetzt wurden. Das ist nicht der Fall. Sie sind
versetzt worden, in größere, besser geführte Häuser. Einige der jüngeren
Mönche haben sie entlassen, Jungen, die nicht zum Klosterleben berufen sind.
Wenn er sie befragt, stellt er gewöhnlich fest, dass sie nichts wissen; und das
führt die Behauptung der Abteien ad absurdum, das Licht der Gelehrsamkeit zu
sein. Sie können durch ein lateinisches Gebet stolpern, aber wenn man sagt:
»Mach weiter, sag mir, was es bedeutet«, sagen sie: »Bedeutet, Master?«, als ob
Worte und ihre Bedeutungen so locker miteinander verbunden seien, dass der
Faden sofort reißt, wenn man daran zieht.
»Was die Leute sagen, muss
dich nicht kümmern«, sagt er zu Johane. »Dafür übernehme ich die Verantwortung,
ich allein.«
Der Kardinal hat die
Beschwerden mit äußerstem Hochmut entgegengenommen. Grimmig hat er in seiner
Akte die Namen der Nörgler vermerkt. Dann hat er die Liste genommen und sie mit
einem knappen Lächeln seinem Mann für die Geschäfte übergeben. Alles, was ihm
am Herzen liegt, sind seine
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