Mantel, Hilary
dass
sie geschliffen werden muss, und sagt: »Findet ihr, dass ich wie ein Mörder
aussehe? Eure ehrliche Meinung.«
Stille. Nach einer Weile wagt
sich Thurston vor: »In diesem Augenblick, Master, würde ich sagen müssen ...«
»Nein, aber angenommen, ich
wäre auf dem Weg nach Gray's Inn ... Könnt ihr euch das vorstellen? Mit einer
Mappe voller Papiere und einem Tintenfass.«
»Ich denke mal, das würde ein
Schreiber für Sie tragen.«
»Als o könnt ihr es euch nicht
vorstellen?«
Thurston nimmt seine Mütze
wieder ab und stülpt sie von innen nach außen. Er betrachtet sie, als säße sein
Gehirn darin oder zumindest ein Hinweis darauf, was er jetzt sagen könnte.
»Ich denke, Sie sehen wie ein Anwalt aus. Nicht wie ein Mörder, nein. Aber,
vergeben Sie mir, Master, Sie sehen auf jeden Fall wie ein Mann aus, der weiß,
wie man einen Kadaver zerlegt.«
Er lässt Rindsrouladen für den
Kardinal in seiner Küche machen, mit Salbei und Majoran gefüllt, ordentlich
zusammengebunden und nebeneinander auf Tabletts gelegt, sodass die Köche in
Richmond sie nur noch schmoren müssen. Zeig mir, wo in der Bibel steht, dass
ein Mann im März keine Rindsrouladen essen darf.
Er denkt an Lady Anne, an ihre
ungestillte Kampfeslust, an die traurigen Damen in ihrer Gesellschaft. Er
schickt diesen Damen ein paar flache Körbe voller Törtchen mit eingekochten
Orangen und Honig. Anne schickt er eine Schale Mandelcreme. Sie ist mit
Rosenwasser aromatisiert und konservierten Rosenblättern und kandierten
Veilchen dekoriert. Mittlerweile ist es unter seiner Würde, durchs Land zu
reiten und selbst Speisen zu überbringen, aber nicht weit unter seiner Würde.
So lange ist es nicht her, dass er in der Küche der Frescobaldi in Florenz
gearbeitet hat; oder vielleicht doch, aber seine Erinnerung daran ist deutlich,
genau. Er war dabei, Kalbsfußgelee zu klären, und schwatzte in seinem
Kauderwelsch aus Französisch, Toskanisch und Putney, als jemand rief: »Tommaso,
du wirst oben gebraucht.« Seine Bewegungen verrieten keine Eile, als er einem
Küchenkind zunickte, das ihm eine Schüssel Wasser brachte. Er wusch sich die
Hände, trocknete sie an einem Leinentuch ab. Er zog sich die Schürze aus und
hing sie an einen Haken. Soweit er weiß, hängt sie dort immer noch.
Er sah einen Jungen — jünger
als er selbst —, der auf Händen und Knien die Treppe scheuerte. Er sang beim Arbeiten:
Scaramella va alia guerra Colla lancia et la rotella La zombero boro
borombetta, La boro borombo ...
»Sei so gut, Giacomo«, sagte
er. Der Junge rückte zur Seite und drückte sich in die Rundung der Wand, um ihn
vorbeizulassen. Ein plötzlicher Wechsel des Lichts wischte ihm selbst die Neugier
aus dem Gesicht, leerte es, entließ seine Vergangenheit in die Vergangenheit,
wusch die Zukunft rein. Scaramella zieht in den Krieg... Doch ich war im Krieg, dachte
er.
Er war nach oben gegangen. Den
Trommelwirbel des Soldatenlieds im Ohr. Er war nach oben gegangen und niemals
wieder nach unten zurückgekehrt. In einer Ecke des Kontors der Frescobaldi
wartete ein Tisch auf ihn. Scaramella fa la gala, summte er. Er hatte sich auf
seinen Platz gesetzt. Eine Feder gespitzt. Seine Gedanken brodelten und wirbelten,
Flüche auf Toskanisch, Putney, Kastilisch. Aber als er seine Gedanken zu
Papier brachte, kamen sie auf Lateinisch heraus und konnten nicht
verständlicher sein.
Noch bevor er in Austin Friars
aus der Küche nach oben kommt, wissen die Frauen, dass er Anne besucht hat.
»Als o«, will Johane wissen.
»Groß oder klein?«
»Weder noch.«
»Ich habe gehört, sie sei sehr
groß. Blass, oder?«
»Ja, blass.«
»Es heißt, sie ist anmutig.
Tanzt gut.«
»Wir haben nicht getanzt.«
Mercy sagt: »Aber was glaubst
du? Ist sie dem Evangelium zugewandt?«
Ein Achselzucken. »Wir haben
nicht gebetet.« Aice, seine kleine Nichte: »Was hatte sie an?«
Ah, das kann ich dir erzählen;
er setzt ihren Preis fest, nennt den Ursprung ihrer Ausstattung, von der Haube
bis zum Kleidersaum, vom Fuß bis zur Fingerspitze. Für ihren Kopfputz bevorzugt
Anne den französischen Stil, die runde Haube schmeichelt den feinen Zügen
ihres Gesichts. Er erklärt es, und obwohl sein Ton sachlich, kaufmännisch ist,
wissen die Frauen es aus irgendeinem Grund nicht zu schätzen.
»Sie mögen sie nicht, habe ich recht?«,
sagt Aice, und er sagt, es stehe ihm nicht zu, sich eine Meinung zu bilden, und
dir auch nicht, Alice, sagt er und umarmt sie und bringt sie zum
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