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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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Wand
sah, konnte man niemanden hören; wenn Mark mich also für einen Mörder hält,
dann nur, weil er denkt, ich sehe wie einer aus.
     
    Acht Vorzimmer: Im letzten, wo
der Kardinal sein sollte, findet er Anne Boleyn. Und sieh an, da sind Salomon
und Saba, wieder entrollt, wieder an der Wand. Durch einen Luftzug wirbelt
Saba in seine Richtung, rosig, rund, und er erkennt sie: Anselma, die Dame aus
Wolle, ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.
    Er hat nach Antwerpen
geschrieben, hat diskret um Nachricht gebeten. Anselma sei verheiratet, hat
Stephen Vaughan geantwortet, mit einem jüngeren Mann, einem Bankier. Wenn er
ertrinkt oder etwas in der Art, hat er gesagt, lassen Sie es mich wissen.
Vaughan schreibt zurück: Thomas, kommen Sie, gibt es in England nicht jede
Menge Witwen? Und frische junge Mädchen?
    Neben Saba sieht Anne schlecht
aus: fahl und säuerlich. Sie steht am Fenster, ihre Finger zerren und reißen an
einem Zweig Rosmarin. Als  sie ihn sieht, lässt sie den Zweig fallen, und ihre
Hände tauchen wieder in die fließenden Ärmel ein.
    Im Dezember gab der König ein
Bankett, um die Erhebung ihres Vaters zum Earl von Wiltshire zu feiern. Die
Königin war abwesend, und Anne saß dort, wo Katherine sitzen sollte. Es gab
Frost auf dem Boden, Frost in der Atmosphäre. Sie haben Berichte darüber
gehört, in Wolseys Haushalt. Die Herzogin von Norfolk (die immer wegen
irgendetwas wütend ist) war wütend, dass ihre Nichte im Rang über ihr stehen
sollte. Die Herzogin von Suffolk, Henrys Schwester, weigerte sich zu essen.
Keine dieser großen Damen sprach mit Boleyns Tochter. Und dennoch: Anne hatte
ihren Platz als erste Dame des Königreichs eingenommen.
    Jetzt aber ist das Ende der
Fastenzeit gekommen, und Henry ist zu seiner Frau zurückgekehrt; er hat nicht
die Stirn, bei seiner Konkubine zu sein, während wir auf die Passionswoche
zugehen. Ihr Vater ist zwecks diplomatischer Geschäfte im Ausland, genau wie
ihr Bruder George, jetzt Lord Rochford, genau wie Thomas Wyatt, der Dichter,
den sie quält. Sie ist allein und langweilt sich in York Place; es ist so weit
gekommen, dass sie nach Thomas Cromwell schicken muss, um festzustellen, ob er
zu ihrer Unterhaltung beitragen kann.
    Aufgeregte kleine Hunde rund
um ihre Röcke - drei an der Zahl - rennen los, kläffen, schießen auf ihn zu. »Lassen
Sie sie nicht raus«, sagt Anne, und mit geübten und sanften Handgriffen
schaufelt er sie vom Boden - die Art von Hunden, Bellas, mit zottigen Ohren und
winzigen Wackelschwänzen, wie sie die Frauen von Kaufleuten auf der anderen Seite
des Kanals halten. Als  er sie zurückgibt, haben sie bereits an seinen Fingern
und an seiner Jacke geknabbert, sein Gesicht abgeleckt und ihn mit weit
aufgerissenen Augen angeschmachtet: als wäre er jemand, dessen Bekanntschaft
sie sehnsuchtsvoll erwartet haben.
    Zwei von ihnen setzt er
behutsam auf den Boden; den kleinsten übergibt er Anne. »Vous etesgentil«, sagt sie, »und wie sehr meine
Babys Sie mögen! Ich könnte diese Affen nicht lieben, wissen Sie, die Katherine
hält. Les
singes enchaines. An ihren kleinen Händen, an ihren kleinen Hälsen gefesselt. Meine Babys
lieben mich um meiner selbst willen.«
    Sie ist so klein. Ihre Knochen
sind so zart, ihre Taille so schmal; wenn zwei Jurastudenten einen Kardinal
ausmachen, so machen zwei Annes eine Katherine aus. Einige Frauen sitzen auf
niedrigen Hockern, nähen oder geben vielmehr vor zu nähen. Eine von ihnen ist
Mary Boleyn. Sie hält den Kopf gesenkt, was sicher vernünftig ist. Eine von
ihnen ist Mary Shelton, eine forsche rosa-weiße Boleyn-Kusine; sie betrachtet
ihn und sagt sich ganz offensichtlich: Du meine Güte, hat Lady Carey wirklich
gedacht, das ist das Beste, was sie kriegen kann? Hinten im Schatten sitzt ein
weiteres Mädchen, das sein Gesicht abgewendet hat und sich zu verstecken sucht.
Er weiß nicht, wer sie ist, aber er versteht, warum sie starr auf den Boden
sieht. Anne scheint das zu bewirken; jetzt, da er die Hunde abgesetzt hat, tut
er dasselbe.
    »Alors«, sagt Anne leise, »plötzlich
dreht sich alles um Sie. Der König hört nicht auf, Master Cromwell zu
zitieren.« Sie spricht seinen Namen aus, als käme sie mit dem Englischen nicht
zurecht: Cremuel. »Maitre
Cremuel hat so recht, er liegt in jedem Punkt richtig ... Und nicht zu
vergessen, er bringt uns zum Lachen.«
    »Tatsächlich lacht der König
manchmal. Aber Sie, Madame? In Ihrer Situation? In der Lage, in der Sie sich
befinden?«
    Ein

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