Mantel, Hilary
schwarzer Blick über die
Schulter. »Ich vermute, selten. Lachen. Wenn ich es bedenke. Aber ich habe es
nicht bedacht.«
»Das ist also aus Ihrem Leben
geworden.«
Staubige kleine Teile,
getrocknete Blätter und Stängel, sind auf ihre Röcke gefallen. Sie starrt in
den Morgen hinaus.
»Lassen Sie es mich so
ausdrücken«, sagt er. » Welchen Fortschritt hat Ihre Sache gemacht, seit Mylord
Kardinal degradiert wurde?«
»Keinen.«
»Keiner kennt die Mechanismen
christlicher Länder so genau wie Mylord Kardinal. Keiner ist mit Königen so
vertraut. Bedenken Sie, was er Ihnen schulden würde, Lady Anne, wenn Sie es
wären, die diese Missverständnisse beseitigt und ihm das Wohlwollen des Königs
zurückgewinnt.«
Sie antwortet nicht.
»Bedenken Sie«, sagt er. »Er
ist der einzige Mann in England, der Ihnen verschaffen kann, was Sie brauchen.«
»Gut. Tragen Sie seine Sache
vor. Sie haben fünf Minuten.«
»Im Übrigen ist mir klar, dass
Sie wirklich viel zu tun haben.«
Anne sieht ihn voller
Abneigung an und antwortet auf Französisch. »Was wissen Sie denn, womit ich
meine Stunden verbringe?«
»Mylady, führen wir dieses
Gespräch auf Englisch oder auf Französisch? Sie haben die Wahl. Aber wir
sollten uns für das eine oder das andere entscheiden, ja?«
Er nimmt eine Bewegung im
Augenwinkel wahr; das halb versteckte Mädchen hat das Gesicht gehoben. Sie ist
unscheinbar und blass; sie wirkt schockiert.
»Ist es Ihnen gleich?«, sagt
Anne.
»Ja.«
»Sehr gut. Auf Französisch.«
Er sagt es ihr noch einmal:
Der Kardinal ist der Einzige, der ihr ein günstiges Urteil des Papstes
verschaffen kann. Er ist der Einzige, der dem König ein gutes Gewissen
verschaffen kann, ein sauberes.
Sie hört zu. Das muss er ihr
lassen. Er hat sich immer gefragt, wie gut Frauen unter den sie umhüllenden
Schleiern und Hauben hören können, aber Anne vermittelt den Eindruck, dass sie
ihm zuhört. Zumindest lässt sie ihn ausreden; sie unterbricht nicht, bis sie
schließlich sagt: Nun, wenn der König es will und der Kardinal es will, er, der
früher der wichtigste Untertan des Königreichs war, dann muss ich sagen,
Master Cremuel, dass all das eine wundersam lange Zeit braucht, um zu
geschehen!
In ihrer Ecke fügt ihre
Schwester kaum hörbar hinzu: »Sie wird schließlich nicht jünger.«
Keinen einzigen Stich haben
die Frauen genäht, seit er den Raum betteten hat.
»Darf man fortfahren?«, fragt
er in dem Versuch, sie zu überzeugen. »Ist noch ein Moment übrig?«
»Oh ja«, sagt Anne. »Aber nur
ein Moment: In der Fastenzeit rationiere ich meine Geduld.«
Er sagt ihr, sie solle die
Verleumder ignorieren, die behaupten, der Kardinal würde ihre Sache blockieren.
Er sagt ihr, wie sehr es den Kardinal bekümmere, dass der König sich seinen
Herzenswunsch nicht erfüllen kann, der immer auch der Wunsch des Kardinals
gewesen sei. Er sagt ihr, dass alle Untertanen des Königs ihre Hoffnung auf einen
Thronerben auf sie setzen, und wie sicher er sei, dass sie richtig daran tun.
Er erinnert sie an die vielen freundlichen Briefe, die sie dem Kardinal in
früheren Zeiten geschrieben hat: Er hat sie alle aufbewahrt.
»Sehr schön«, sagt sie, als er
aufhört. »Sehr schön, Master Cremuel, aber versuchen Sie es noch einmal. Eine
Sache. Eine einfache Sache, um die wir den Kardinal gebeten haben, und die hat
er nicht getan. Eine einfache Sache.«
»Sie wissen, dass es nicht
einfach war.«
»Vielleicht bin ich eine
einfache Person«, sagt Anne. »Denken Sie, das bin ich?«
»Vielleicht. Ich kenne Sie
kaum.«
Die Antwort erzürnt sie. Er
sieht, wie ihre Schwester feixt. Sie können gehen, sagt Anne: Und Mary springt
auf und folgt ihm hinaus.
Abermals sind Marys Wangen
gerötet, die Lippen geöffnet. Sie hat ihre Näharbeit mitgebracht, was er
merkwürdig findet; aber vielleicht trennt Anne die Stiche auf, wenn sie sie
zurücklässt. »Wieder einmal außer Atem, Lady Carey?«
»Wir haben gedacht, sie regt
sich auf und schlägt Sie. Werden Sie wiederkommen? Mary Shelton und ich können
es gar nicht erwarten.«
»Sie hält das aus«, sagt er,
und Mary sagt, stimmt, sie mag ein Gefecht mit jemandem auf demselben Niveau.
»Woran arbeiten Sie da?«, fragt er, und sie zeigt es ihm. Es ist Annes neues
Wappen. »Auf allem, vermute ich«, sagt er, und ein breites Lächeln überzieht
ihr Gesicht: »Oh ja, auf ihren Unterröcken, ihren Hauben und Schleiern; sie hat
Kleidungsstücke, die niemand vor ihr getragen hat, nur damit
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