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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Kind.“
    „Wir haben keine hundert Ansätze mehr!“, zischte Susanne. „Die Ermittlung ist so gut wie tot, und meines Erachtens stirbt mit Sicherheit das nächste Kind, wenn wir nicht alles auf eine Karte setzen!“
    „Nein!“ Die Staatsanwältin wurde rot und funkelte Susanne zornig an.
    „Frau Breitner!“ Susanne lehnte sich über den Tisch, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Doktor Sprenger …“
    „Doktor Sprengers kriminalistischer Spürsinn in allen Ehren“, wurde sie harsch unterbrochen. „Aber deshalb können wir nicht alles über Bord werfen. Wir arbeiten hier nach Gesetzen und Regeln, die aus jahrzehntelanger Arbeit und Erfahrung resultieren.“
    Auch Breitner lehnte sich jetzt über den Tisch. Wie zwei verfeindete Katzen starrten die beiden Frauen sich an. Hellwein rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum und stieß sich dabei den Ellbogen an der ungewohnten Armlehne.
    „Sehen Sie sich ab und zu mal die Polizeihandbücher an, Frau Braun!“
    „Vertrauen Sie ab und zu mal der Intuition einer erfahrenen Polizistin, Frau Breitner!“
    Gleich würden sie sich die Augen auskratzen, erkannte Hellwein und beschloss, dass es genug war. Er sprang auf, packte seine Vorgesetzte am Arm, zog sie aus dem Stuhl und bugsierte sie nach draußen.
    Auf dem Flur schüttelte Susanne seine Hand ab. „Die weiß ja nicht, was sie redet!“, schnaubte sie und rannte mit langen Schritten Richtung Aufzug.
    „Weißt du es denn?“, rief Hellwein. Er hatte Mühe, sie einzuholen. „Nenn mir einen hier, dessen Nerven nicht blank liegen. Und was soll sie tun? Die Idee der Horn ist nun mal keine konkrete Spur.“
    „Uns läuft die Zeit davon, Heinz!“
    Er griff nach dem Ärmel ihres Pullovers und zerrte daran, bis sie schließlich stehenblieb und sich zu ihm wandte.
    „Hör zu“, sagte er beschwörend, den Ärmel weiterhin fest in der Hand. „Wir können in der kurzen Zeit niemals alle Alibis prüfen. Wir haben ja noch nicht mal alle Namen zusammen. Aber wir können uns nur auf Sonja konzentrieren. Bei ihr sind es sehr viel weniger Leute. Das wäre zu schaffen.“
    Wieder einmal wunderte sich Susanne, wie pragmatisch ihr Oberkommissar manchmal dachte.
    „Aus dir wird noch ein richtig guter Polizist“, antwortete sie.
     

Dienstag, 11. Dezember
     
    Es war Karins Idee gewesen. Deshalb standen sie jetzt um acht Uhr in der Früh an der Prälat-van-Acken-Straße und froren. Ein scharfer Wind blies um die Häuserzeilen und ließ die Augen tränen. Über die Fahrbahn wirbelte trockenes Laub und blieb dann raschelnd im Rinnstein liegen.
    Karin wollte sich Annikas Kindergarten ansehen, den Weg, den sie jeden Morgen gegangen war. Und sie wollte es genau zu der Zeit tun, wo das Kind verschwunden war.
    Manchmal hatten solche Aktionen Sinn. Manchmal entwickelte man Theorien, machte zufällige Beobachtungen, oder die entsprechende Atmosphäre ließ einen den springenden Punkt erkennen. Viel öfter jedoch holte man sich einfach nur einen Schnupfen.
    Chris trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. Natürlich waren sie zu früh gewesen. Also sahen sie sich erst die Siedlung jenseits der Dürener Straße an, in der die Klausens lebten. Außer grau-verwitterten Fassaden, die in völligem Kontrast zu den gepflegten Vorgärten standen, erregte nichts ihre Aufmerksamkeit. Hinter dem letzten Haus führte ein schmaler Fußweg direkt zur Dürener Straße — jene „beschissene“ Straße, die Annika nicht allein hatte überqueren dürfen.
    Karin trat auf den Zebrastreifen, hielt ihren blauen Gehstock wie ein Schwert vor sich und zwang die Autofahrer zum Halten. Mit langen Schritten humpelte sie auf die andere Seite, und Chris beeilte sich, hinterherzukommen.
    An der Ecke zur Prälat-van-Acken-Straße blieb Karin stehen. Sie sah sich aufmerksam um und fragte schließlich: „Wie spät?“
    Chris sah kurz auf die Uhr. „Zwei nach acht.“
    „Viel zu früh! Die Mutter hat ausgesagt, dass sie spät dran waren. Vor zehn nach waren sie unter Garantie nicht hier.“
    „Wir könnten uns schon mal mit dem Weg zum Kindergarten vertraut machen“, schlug Chris vor und setzte sich wieder in Marsch. Zumindest würden sie sich so bewegen und nicht festfrieren.
    „Hält warm“, bestätigte Karin. Sie hatte die Kapuze ihrer roten Daunenjacke über den Kopf gezogen und fest unter dem Kinn verschnürt. An den Seiten quollen trotzdem ein paar blonde Locken hervor.
    Sie gingen an der Endhaltestelle der „136“ vorbei, der einzigen

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