Mantelkinder
stutzte er und blickte an der Fassade nach oben. „Peters Sport-und Trachtenshop“ nannte sich der Laden. Chris trat an die Tür und suchte eine Weile zwischen den Aufklebern von Kreditkartenunternehmen, ehe er das kleine polierte Messingschild sah. Sein Herzschlag beschleunigte sich plötzlich.
„Verdammt“, presste er zwischen den Zähnen hervor.
„Was ist denn?“ Karin trat neben ihn und Chris deutete auf das Schild. „Inh. Peter Kunzeler“, war da zu lesen. „Bei Notfällen Tel.: …“
„Teufel“, murmelte Karin. „Ist das der Sohn? Der in der Innenstadt heißt Josef-Hermann.“
„Josef-Hermann Kunzeler“, zitierte Chris, „Ihr Jagdexperte seit neunzehnhundertwasweißich. Und wenn die Geschäfte Ware untereinander getauscht haben?“
„Du meinst, Mantel und Umhang sind gar nicht bei Josef-Hermann gekauft worden, sondern hier?“ Karin öffnete die Schlaufen unter ihrem Kinn und schob die Kapuze nach hinten.
„Überleg mal: Die Klausens wohnen in der Nähe. Die Werkstatt der Klausen muss auch hier irgendwo sein. Die Böhms wohnen an der Gleueler Straße, das macht von hier aus nur ein paar hundert Meter.“
„Und wetten, dass du da drüben durchgefärbte Kerzen kriegst?“ Karin deutete mit dem Kopf auf die andere Straßenseite, wo sich ein Haushaltswarengeschäft der edleren Sorte befand.
Wieder einmal war es an der Zeit, Susanne anzurufen.
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Hansen stürmte in ihrer gewohnt forschen Art in Susannes Büro und fegte durch den Luftzug ein paar eng bedruckte Blätter von Hellweins Schreibtisch.
Sie war dick vermummt mit einem fast bodenlangen Mantel, einem vielfach um den Hals geschlungenen Wollschal und klobigen Fellstiefeln. Trotzdem hatte sie eine rote Nase und hauchte in die blau gefrorenen Hände. Wahrscheinlich gehörte sie zu den Menschen, die bei weniger als fünfzehn Grad plus schon Schüttelfrost haben.
„Es stimmt!“, verkündete sie, während sie sich aus dem roten Schal wickelte und Hellwein seine Papiere vom Boden klaubte. „Vater und Sohn Kunzeler tauschen schon mal Ware untereinander. Sogenannte ´Überhänge`. Unsere Leute hatten sich natürlich nur für die Kundendaten interessiert. Und keiner bei Josef-Hermann hielt es wohl für nötig, uns auf das Geschäft des Sohnes hinzuweisen.“
Schließlich hatte der Schal ein Ende und sie warf ihn über die Lehne des schäbigen Besucherstuhls. „Sie haben die alten Geschäftsunterlagen rausgekramt. Vor ziemlich genau zwei Jahren sind zwanzig von den Umhängen und zehn der Mäntel zu Peter Kunzeler gekommen. Sie alle wurden an nicht namentlich bekannte Kunden verkauft. Und in dem von Doktor Sprenger genannten Haushaltswarenladen gibt es durchgefärbte Kerzen. Ich hab eine Packung von den Blauen gekauft und ins Labor gebracht. Die kriegen sicher raus, ob es sich um den gleichen Hersteller handelt.“
„Also gut.“ Susanne stand auf und trat an ihren geliebten Stadtplan. Die Hände tief in den Taschen ihrer grauen Hose vergraben, starrte sie eine Weile auf die gelben und roten Striche, die Straßen darstellten, auf die blau schraffierten Kästchen, die die Bebauung markierten und die stilisierten Tannenbäume, die auf Grünflächen hinwiesen.
Dann nahm sie vom Bord daneben eine Handvoll bunter Fähnchen und markierte damit die Läden auf der Dürener Straße, Wohnung und Werkstatt der Klausen, den Kindergarten, die Schulen von Claudia und Sonja, die Straßen, in denen sie gelebt hatten. Danach steckten in einem engen Bezirk auffallend viele Fähnchen. Nur die, die Claudia betrafen, befanden sich ein wenig außerhalb.
Hansen trat dazu, nahm der Kommissarin eine Nadel aus der Hand und setzte sie zwischen die anderen. „Hier ungefähr ist ein Bastelladen. Schwerpunkt Trockenblumen und Seidenmalerei. Bin ich eben zufällig vorbeigekommen.“ Fast entschuldigend hob sie die Schultern und schniefte durch die immer noch rote Nase.
Susanne sah die junge Kollegin mit gerunzelter Stirn an. Petra Hansen war schon jetzt eine bessere Polizeikraft, als Schneider es je werden würde.
Sie schüttelte ihre Verwirrung ab und sah zu Hellwein herüber. „Wer von Sonjas Leuten wohnt in Lindenthal, beziehungsweise Sülz?“
„´ne Menge“, gab er zurück. „Und einige haben wir noch nicht seziert.“
„Worauf wartest du also?“ Susanne schnappte sich ihren Mantel von der Garderobe und hielt Hellwein die Tür auf.
Mittwoch, 12. Dezember
Chris raufte sich zum wiederholten Mal die Haare. Wer sollte da
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