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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Alles! Ja, wahrscheinlich haben wir es nur schlimmer gemacht. Wir haben zwei Kindern das Leben genommen, und dafür gehören wir erst recht in die Hölle!“
    „Blödsinn! Wir versuchen es einfach noch einmal, machen eine Art Gottesdienst daraus. Schon während des Rituals nehmen wir Kontakt mit Ihm auf. Wir zünden viele rote Kerzen an und beten den Rosenkranz. Ja, wir könnten sogar bis zum Morgen bleiben, gemeinsam singen und Gebete sprechen.“
    Gregor war verunsichert. Ob Lucia Recht hatte? Was hatte es zu bedeuten, dass sie immer noch keine Antwort erhielten? Hatte Gott das Ritual nicht akzeptiert? Mussten sie wirklich noch deutlicher werden? Waren sie schon zu weit gegangen, oder noch nicht weit genug?
    Plötzlich nickte Gregor entschlossen. Es gab kein Zurück mehr. Sie mussten weitermachen. So lange, bis sie endlich eine Antwort bekamen.
     

Donnerstag, 13. Dezember
     
    Die uniformierte Polizistin war sichtlich erkältet. Sie hatte rote Augen und entzündete Nasenflügel, und ihre Stimme klang heiser.
    „Kommissarin Herta Geimer, Wache Dom/Hauptbahnhof“, stellte sie sich vor und nahm die Mütze ab. Die platinblonden Locken waren dort, wo der Mützenrand gesessen hatte, zerdrückt.
    Susanne beneidete sie nicht um den Job. Die Bezirke Eigelstein und Hauptbahnhof waren so ziemlich das Schlimmste, was Beamten im Wach-und Wechseldienst passieren konnte. Penner, Stricher, Taschendiebe, Junkies und Besoffene. Wenn man sie zur Wache bringen musste, hörte man sich die schlimmsten Beleidigungen an oder sie kotzten einem über die Uniform. Andererseits schnappten gerade diese Beamten eine Menge auf. Viele ihrer „Pappenheimer“ kannten sie seit Jahren. Es entwickelten sich manchmal fast freundschaftliche Beziehungen, die oft wertvolle Informationen hergaben.
    Susanne hatte großen Respekt vor diesen Kollegen. Besonders vor einer Frau, die so einen Knochenjob machte. Vielleicht rang sie sich deshalb ein — ihrer Meinung nach — freundliches Lächeln ab, als sie fragte: „Was können wir für Sie tun, Frau Kommissarin?“
    „Na ja, der Kollege und ich hatten da was läuten hören. Ein alter Bekannter von uns würde überall rumerzählen, er hätte ein totes Kind gesehen.“
    Susanne hielt unwillkürlich die Luft an. „Und?“
    „Wir haben ein bisschen Augen und Ohren offengehalten und ihn aufgetrieben. Er ist im Vernehmungszimmer.“
    Susanne sah kurz zu Hellwein herüber. In seinen Augen stand ein einziges Fragezeichen, aber auch so etwas wie Hoffnung, denn sie hatten immer noch nichts in der Hand. Vierundzwanzig Stunden vor dem mutmaßlichen Tod eines weiteren Kindes! Sollten sie jetzt den alles entscheidenden Schritt weiterkommen? Sollte sich doch noch „Kommissar Zufall“ einstellen, der sie bisher so schmählich im Stich gelassen hatte?
    „Ist vielleicht besser, wenn wir dabeibleiben“, schlug Herta Geimer vor, als sie über den langen Flur zum Vernehmungsraum gingen. „Sie wissen ja, wie die Typen sind. Zu uns hat er wenigstens ein bisschen Vertrauen.“
    Susanne nickte abwesend. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was da auf sie zukam.
    Die beiden Männer, die sie ein paar Sekunden später vorfanden, hätten unterschiedlicher nicht sein können. Der eine, dessen Namensschild und Abzeichen auf der tadellos sitzenden Uniform ihn als Kommissar Hans Leitner auswiesen, saß mit einer Pobacke auf dem Tisch. Er war hoch gewachsen und muskulös. Sein blonder Stoppelhaarschnitt passte zu den himmelblauen, aufmerksam blickenden Augen, und sein Lächeln war umwerfend.
    Verwirrt murmelte Susanne einen Gruß. Sogar ihr fiel auf, dass er attraktiv war.
    Was man von dem anderen Mann, der auf einem Stuhl hinter dem Resopaltisch saß, nicht unbedingt behaupten konnte. Er war in sich zusammengesunken, fast so, als wollte er sich unsichtbar machen. Trotzdem sah man, dass er groß sein musste. Ein verrunzelter, vertrockneter Riese mit schwarzen Bartstoppeln und vor Dreck starrenden Händen. Der Mantel mit Fischgrätmuster, der um seine Schultern schlotterte, erinnerte Susanne an ihren Vater. Seine Augen waren gerötet, und aus seinem anscheinend zahnlosen Mund tropfte Speichel. Ein saurer Geruch ging von ihm aus.
    Der Riese schien unter den Bartstoppeln grau zu werden, als er Susanne und Hellwein sah. „Dat is Kripo, Hans! Kripo!“, kreischte er los. „Du has jesacht, wir beide reden! Nix Kripo!“
    „He, Junge, reg dich mal ab.“ Leitner blieb völlig ruhig und tätschelte dem Mann die Schulter. „Wir

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