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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Zwillinge, Wolfgang einen halben Schritt dahinter. In der zweiten Reihe entdeckte Chris seinen eigenen Kopf und daneben das Gesicht einer hoch gewachsenen Frau.
    Das Blut rauschte in seinen Ohren, als er auf den Bildschirm tippte und heiser fragte: „Wer ist das?“
    Wolfgang beugte sich hinunter und sah mit gerunzelter Stirn auf den ausgestreckten Zeigefinger von Chris.
    „Also, Doktor Sprenger, wirklich!“, sagte er kopfschüttelnd. „Das ist lächerlich. Absolut lächerlich.“
     
    ********
     
    Susanne brauchte mit ihrem kleinen Polo exakt vierundzwanzig Minuten bis zum Präsidium. Sie überholte an gottverbotenen Stellen, schnitt mehrere Fahrzeuge gefährlich und löste Hupkonzerte aus.
    Hellwein und Breitner empfingen sie mit betretenen Gesichtern, denn gerade war die Vermisstenmeldung von Dennis Kaschenbach eingegangen. Der diensthabende Beamte der Wache Bayenthal hatte nicht lange gefackelt und gleich Hellweins Durchwahl genommen.
    „Scheiße“, murmelte Susanne nur und rief Chris an. Dann erklärte sie den anderen die Situation. Erst während dieses kurzen Statements fiel ihr auf, dass Chris tatsächlich sein Handy eingeschaltet hatte. Irgendwie beruhigte sie das.
    Die Augen von Breitner wurden immer größer und ihr Nicken immer heftiger, je weiter Susanne mit ihren Ausführungen kam.
    „Standesamt“, knurrte sie, als die Kommissarin fertig war. „Wir brauchen das Standesamt!“
    „Genau! Wir müssen jeden einzelnen Namen aus den Akten beim Standesamt abrufen. Ein Knopfdruck, und die wissen, ob jemand unehelich geboren wurde oder nicht. Die ganze SOKO soll sich darauf stürzen.“
    „Bei unserem Standesamt dauert das pro Person nur Minuten“, gab Hellwein zu bedenken. „Aber wenn wir in anderen Städten anfragen müssen oder sogar im Ausland …“
    Sein niedergeschlagenes Gesicht sprach Bände. Susanne packte ihn bei den Schultern und merkte dabei zum ersten Mal, wie kräftig sie waren. „Heinz! Es ist die einzige Chance, die wir haben!“
    Breitner übernahm den organisatorischen Teil im Präsidium und die beiden Polizisten quälten sich zurück ins Linksrheinische. Um nach Lindenthal zu kommen, mussten sie quer durch die Innenstadt. Zehn Tage vor Heiligabend war da auch mit Blaulicht und Sirene kaum ein Durchkommen.
    „Idiot!“, zischte Hellwein mehrfach, wenn er der Meinung war, die Autofahrer machten nicht schnell genug Platz.
    Susanne telefonierte derweil mit Martina Klausen, die in ihrer Werkstatt auf sie warten wollte. Danach forderte sie einen Zwischenbericht bei Breitner ab. Dabei waren sie mal gerade eine viertel Stunde unterwegs.
    „Wie weit sind die?“, fragte Hellwein, als Susanne das Telefon wegsteckte.
    „Nichts bisher. Mehr Zugezogene als echte Kölner, wie´s scheint.“
    „Verdammt! Dauernd bei ortsfremden Standesämtern anfragen, kostet zu viel Zeit.“
    In Gegenlicht sah Susanne feine Schweißperlen auf seiner Stirn. „Wir sind nah dran, Heinz. Wir kriegen ihn!“
    „Mach mir mal ´ne Zigarette an“, knurrte Hellwein, ohne weiter auf ihren Optimismus einzugehen.
    Obwohl die Werkstatt von Klausen in einer ruhigen Seitenstraße lag, gab es nur einen einzigen Parkplatz — eine Garageneinfahrt. Hellwein warf ein Plastikschild „Polizei im Einsatz“ hinter die Windschutzscheibe und daneben einen knittrigen Zettel mit seiner Handynummer.
    Tiefe Schatten lagen unter den Augen von Martina Klausen. Ihr Gesicht war eingefallen, das Haar fettig. Sie ging leicht gebückt, als ob eine große Last auf ihre Schultern drückte. Susanne vermutete, dass sie nur regelmäßig in die Werkstatt ging, um ein wenig abgelenkt zu sein und nicht ganz durchzudrehen.
    In der Luft hing der scharfe Geruch von Chemikalien. Eine Mischung aus Spiritus, Nitroverdünnung und Schwefelsäure. An der Längswand befanden sich fast ein Dutzend Edelstahlwannen. In manchen hingen die blanken Enden von Elektroden, in anderen lag eine starre, schwarze Masse. Vor dem Fenster gegenüber stand ein hoher Tisch mit einer halbrund ausgeschnittenen Arbeitsplatte. Darunter war ein Ledersack befestigt, auf dem Hellwein feinen, glitzernden Staub erkannte. Er war noch nie in einer Goldschmiedewerkstatt gewesen und sah sich neugierig um. Winzige Feilen und Zangen lagen herum, von der Decke baumelte ein Motorblock mit biegsamer Welle. Er hätte gern mehr über dieses edle Handwerk gewusst, Fragen zum Inhalt der Wannen gestellt oder zu Werkzeugen, deren Funktion sich ihm nicht erschloss. Aber er hielt den Mund, dachte

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