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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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fasste er den Entschluss, Claudia einfach zu folgen. So würde er bei ihr sein und sich nie mehr von ihr trennen müssen.
    Genau in diesem Augenblick begann Lucia zu zetern. Das konnte sie gut. Und sie lachte. Ihr schrilles, böses Lachen. „Du bist dumm, dumm, dumm!“, schrie sie. „Du würdest niemals mit Claudia zusammenkommen. Niemals! Claudia ist im Himmel. Du aber würdest in der Hölle schmoren! — Alle Mantelkinder schmoren in der Hölle!“
    Gregor gab ihr schnell Recht — Lucia hatte immer Recht. Aber der Vorschlag, den sie nach ihrem Gekreische machte, war so ungeheuerlich, dass er sich fragte, ob sie den Verstand verloren hatte. Andererseits war ihre Argumentation einleuchtend, ja von geradezu bestechender Logik.
    Je mehr Gregor darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sie gar keine andere Möglichkeit hatten, und mit einem Mal erfasste ihn ein ungeheures Hochgefühl. Es war phantastisch, plötzlich ein so großes Ziel zu haben, eine so wunderbare Aufgabe. Und als schließlich noch der Junge auftauchte und ihnen so wichtige Informationen gab, war das beinahe eine Offenbarung.
    Sicher, die Zeit war knapp und es gab so viel zu bedenken. Es musste doch alles stimmen, bis ins kleinste Detail, damit Gott verstand. Zudem musste deutlich werden, wer Ihm dieses Opfer brachte. Wenn Er erkannte, was Lucia und er für Ihn zu tun bereit waren, für Claudia, würde Er endlich auch ihre Seelen reinwaschen.
    Gregor war so aufgeregt, dass er zunächst gar nicht wusste, wo er anfangen sollte. Dafür wusste Lucia es umso besser. Die behielt natürlich einen kühlen Kopf. Sie organisierte alles, traf die Vorbereitungen. Und sie vergaß wirklich nichts. Bei der Sache gab es jedoch einen kritischen Punkt: Nicht nur der Tag, sondern auch die Uhrzeit musste stimmen. Also hatten sie viele, viele Stunden zu überbrücken. Aber auch dafür fand Lucia schließlich eine Lösung.
     

Donnerstag, 15. November
     
    Den ganzen Vormittag lang konnte Chris sein selbstzufriedenes Grinsen kaum verbergen. Claudias Mörder war gefasst, nicht zuletzt wegen einer Tüte Lakritzschnecken und seiner „Rudolf-Spur“. Das versetzte ihn in eine derartige Euphorie, dass er mit der Nixe durchs Büro hätte tanzen können. Dazwischen spürte er im Bauch immer wieder diese kribbelige Erwartung, was Susanne ihnen heute Abend berichten würde, denn die Kommissarin hatte sich tatsächlich dazu hinreißen lassen, ihre Freunde zum Essen einzuladen, um ihren gemeinsamen Erfolg zu feiern.
    Beschwingt arbeitete er die Unterschriftenmappe durch, die die Nixe ihm auf den Tisch legte und kontrollierte das Fristenbuch. Danach holte er sich einen Kaffee, rutschte tief in seinen Sessel und hob die Beine auf den Tisch. Als er die Zeitung aufschlug, prangte ihm sofort der Aufmacher entgegen, der natürlich Ballmanns Verhaftung betraf. Mit Genuss las er den Artikel, der sich in Lobeshymnen über die Polizei erging und „Rudolf B.“ als „bisher unbescholtenen Mann, der zurückgezogen in der Nähe des Tatorts wohnt“, beschrieb.
    Die Nixe kündigte den nächsten Mandanten an und Chris unterbrach seine Lektüre enttäuscht. Aber er konnte schließlich nicht den ganzen Tag in seiner Genugtuung baden.
    Nach dem letzten Termin schnappte er sich den Rasierapparat aus der untersten Schreibtischschublade und verzog sich damit in den winzigen Toilettenraum, der zum Büro gehörte. Sein Bartwuchs war nun mal extrem und er wollte nicht wie der letzte Penner aussehen, wenn er Karin abholte.
    Als er kurz darauf glatt wie ein Kinderarsch und nach Aftershave duftend am Arbeitsplatz der Nixe vorbeikam, schloss sie messerscharf: „Ah, Sie haben ein Date mit Ihrem Herzblatt.“
    Er lachte nur und schickte sie nach Hause, weil er genau wusste, dass sie donnerstags mit ihrem verheirateten Verhältnis verabredet war.
    Der einzige freie und legale Parkplatz war ein ganzes Stück von Karins Labor entfernt. Chris drängte sich durch den Menschauflauf vor einem Aldi und ging kurz in eine Parfümerie, wo er eine Flasche von Luises Lieblingsparfum erstand. Schließlich war bald Weihnachten … Weihnachten … Irgendwas regte sich in seinem Hinterkopf. Schließlich fiel ihm dieses ominöse Gerät wieder ein, von dem Karin in der Stadt gesprochen hatte.
    Vor dem Fotoladen von Achim und Klaus, unter dem sie ihr Kellerlabor hatte, standen zwei Holzpaletten. Eine war schon leer, auf der anderen stapelten sich Bilderrahmen in den verschiedensten Größen und Farben, und Achim

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