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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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sechzehnjährigen, den dreißigjährigen und auch noch den fünfzigjährigen Sohn, ob seine Hände nachts über der Bettdecke lagen.
    Nach dem frühen Tod des Vaters zog die Witwe mit ihren Kindern nach Köln und schaffte es, ihren Sohn bis zu seinem dreiundfünfzigsten Lebensjahr an sich zu binden. Er lebte immer nur mit ihr zusammen. Gehorsam, brav, pedantisch. Seiner Schwester gelang immerhin eine Art Abnabelung, wenn auch nur mit einer eigenen Wohnung im Nachbarhaus.
    Langsam und behutsam pirschte sich Susanne jetzt an Ballmanns Besuche auf dem Straßenstrich heran. Die einzigen Ausbrüche, die sich der gehorsame Sohn erlaubte. Ausbrüche mit gleichzeitiger Bestrafung. Er tat etwas Verbotenes und gleich das Schmutzigste überhaupt. Und oft hatte seine Mutter buchstäblich gerochen, wo er gewesen war und ihm daraufhin Stubenarrest erteilt.
    Susanne fragte sich kurz, ob sie das wohl wörtlich nehmen mussten. Aber wahrscheinlich durfte er tatsächlich die Wohnung ein paar Tage nicht verlassen, wenn die Mutter Sperma an ihm roch. Mein Gott, dachte Susanne, geht es noch verkorkster? Doch warum das Kind? Wie passte das zusammen? War er überhaupt Claudias Mörder?
    In den letzten Minuten hatte Ballmann sich beruhigt, aber als Susanne auf das zu sprechen kam, was sie im hinteren Zimmer gefunden hatten, weinte und stammelte er nur noch, redete zusammenhangloses Zeug, aus dem niemand schlau wurde. Schließlich brach Marlene Breitner das Verhör ab.
    Wenn Susanne auch gern ein Geständnis gehabt hätte, sie war froh über die Pause. Ihr Akku war einfach leer und es würde dauern, bis sie Ballmanns Geschichte verdauen konnte. In ihrem kleinen Büro sank sie erschöpft auf ihren Stuhl und schloss für ein paar Minuten die Augen. Hellwein ließ sie dankenswerter Weise in Ruhe. Wahrscheinlich war er genauso am Ende wie sie selbst. Wer aus der SOKO war das nicht?
    Erst als ihr Chris einfiel, öffnete sie die Augen wieder. Er sollte es nicht aus der Zeitung erfahren. Also zog sie entschlossen das Telefon heran. Zunächst geriet sie an Karins Anrufbeantworter, danach an den von Chris. Nein, die Nachricht von Ballmanns Verhaftung wollte sie nun wirklich nicht auf diesem Weg loswerden. Als sie das Handy von Chris anwählte, hörte sie nur das übliche „Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar“, Karins Mobilnummer hatte sie nicht. In seinem Büro meldete sich ebenfalls nur eine Stimme vom Band, in Karins Labor nicht einmal das.
    Was jetzt? Fluchend suchte sie die Nummer von Luise Sprenger aus dem Telefonbuch. Aber die wusste nur, dass die beiden sich eine Wohnung ansehen wollten. Wohnung, überlegte Susanne … Wohnung. Wenn man eine Wohnung suchte und letztendlich vielleicht gefunden hatte, feierte man das gewöhnlich. Meist mit einem Essen. Und wo gingen die beiden üblicherweise hin? — Zu Mario! Als der ihr endlich bestätigte, dass „Signor Sprenger“ anwesend war, beglückwünschte sie sich einerseits für ihren kriminalistischen Spürsinn, andererseits war sie total entnervt.
    Gleich nachdem sie die Neuigkeiten losgeworden war, stürmte Hansen herein. Mit federndem Schritt, rosa Wangen und anscheinend so frisch wie an ihrem ersten Tag bei der Kripo.
    „Ich hab mit Greta Ballmann in Los Angeles telefoniert“, berichtete die junge Kommissarin und ließ sich auf den abgewetzten Besucherstuhl fallen. „Natürlich dachte ich, ich bring´s ihr schonend bei, aber sie ist trotzdem völlig am Ende. Sie hat allerdings zwei bedeutende Punkte angesprochen: Erstens ist sie kurz vor ihrer Abreise mit ihrem Wagen gegen einen Pfeiler in der Tiefgarage gerauscht. Da die Versicherung sowieso nicht zahlen würde, hat sie den Schaden auch nicht gemeldet, wollte ihn aber nach ihrer Rückkehr beheben lassen. Und für die Zeit ihrer Abwesenheit hat sie den Wagen ihrem Bruder überlassen.“
    Hansen schielte auf Susannes Zigaretten, und die gab ihr mit einem Nicken zu verstehen, dass sie sich bedienen sollte. „Zweitens: Nachdem Ballmann in Rente war, haben sie sich das Auto praktisch geteilt. Er hat sie morgens zur Arbeit gefahren und auch wieder abgeholt. Aber jetzt kommt´s! Den ganzen Sommer über hat Ballmann auch noch fast jede Mittagspause mit seiner Schwester verbracht. Sie haben sich immer an einer bestimmten Bank getroffen, wo er auf sie gewartet hat.“
    Susannes Lebensgeister erwachten wieder ein wenig. „Und da hat er Claudia kennengelernt“, murmelte sie. „Den kleinen blonden Engel, der immer an der Bank

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