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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Satz „Die DNA-Analyse ist positiv, Chris“, meinte er, den Felsbrocken zu hören, der ihm vom Herzen fiel.
    „Gott sei Dank!“, brachte er mühsam heraus.
    „Kannst du laut sagen“, bestätigte Susanne und fügte nach einer Pause hinzu: „Karin war auch froh, das zu hören.“
    Als er nicht antwortete, sagte sie: „Hör mal, ich glaube, sie ist ziemlich durcheinander. Vielleicht … ich meine …“
    „Ich weiß, dass sie durcheinander ist.“ Es gelang Chris nicht, den bitteren Ton zu unterdrücken.
    „Und?“
    „Was und?“, explodierte er. „Wenn sie sich gesammelt hat, kann sie sich ja mal melden.“
    Er unterbrach die Verbindung und warf das Telefon auf den Schreibtisch. Karin ist durcheinander! Na, phantastisch! War er etwa weniger durcheinander? Hatte er keine Angst gehabt? Und wenn Susanne schon meinte, sich um jemanden sorgen zu müssen, dann doch, bitteschön, um ihn. Schließlich hatte er Grippe und nicht Karin.
    „Verdammt, verdammt, verdammt!“, murmelte er und wusste nicht, ob er Karin damit verfluchte, Susanne oder den Kloß, der plötzlich in seinem Hals saß.
     

Sonntag, 18. November
     
    Chris blieb im Bett. Mit Bergen von Taschentüchern, einer Thermoskanne voll heißem Tee auf dem Nachttisch und einer zweiten Decke. Wenn er nicht gerade in eine Art Dämmerschlaf fiel, gab er sich seinem Elend hin. Arm, krank und verlassen war er. Jawohl! Wieso war Karin nicht hier? Sie würde Händchen halten, Fieber messen und Hühnerbrühe kochen. Ein Wundermittel, das bei Schockzuständen wie auch bei Erkältungen den Patienten nach zwei Tagen wieder auf die Beine brachte, wie er schon einmal feststellen durfte. Wieso rief sie nicht wenigstens an? Wieso drehte sich nicht der Schlüssel in der Tür? Wieso war sie überhaupt weggelaufen?
    Als er am Nachmittag ein weiteres Mal aus dem Halbschlaf kam, ahnte er plötzlich, warum Karin auf Tauchstation blieb. Es ging nicht um diesen dummen Streit, an dem sie beide Schuld hatten. Es ging nur darum, dass sie abgehauen war. Karin Berndorf, die einsame Wölfin, die sie im Grunde ihres Herzens immer bleiben würde. Die Bärin, die sich in ihre Höhle verkroch, um ihre Wunden zu lecken. Wenn sie erst einmal eine gemeinsame Wohnung hätten, wäre das mit dem Verkriechen nicht mehr so einfach. Da würde sie sich zwangsläufig auseinandersetzen müssen. Und nun überlegte die Frau, „die nur Affären konnte“ mit Sicherheit, ob sie bereit dazu war. — Bevor Chris in Panik verfallen konnte, schlief er ein.
    Gegen sieben am Abend beschloss er, dass er sich genug in Selbstmitleid gesuhlt hatte. Er schleppte sich ins Bad und duschte abwechselnd heiß und kalt. Danach fühlte er sich so viel besser, dass es ihm gelang, sich ohne Blutbad zu rasieren. Die Linsensuppe aus der Dose, die er warmmachte, schmeckte zwar nach nichts, weckte aber seine Lebensgeister noch ein wenig mehr.
    Er entschied sich für einen steifen Grog, und zum ersten Mal seit zwei Tagen wurde ihm wieder richtig warm. Dann wanderte er ziellos durch seine Wohnung, stand eine Weile am Fenster und versuchte, die Backsteine am Haus gegenüber zu zählen, wanderte wieder. Schließlich stand er unschlüssig vor dem Regal mit den CDs. Händel, Bach oder doch lieber Elton John? Er konnte sich nicht entscheiden. Ebenso erging es ihm vor den beiden Bücherregalen. Er fuhr mit dem Zeigefinger die langen Reihen entlang und kam einzig zu der Erkenntnis, dass er dringend Staub wischen musste. Reizvollen Lesestoff fand er nicht.
    Missmutig trottete er ins Schlafzimmer und gestand sich endlich ein, dass er sich langweilte. Ohne Karin fühlte er sich seltsam leer, schwach und antriebslos. Karin … Das dümmste, was er jetzt tun konnte, war, ein Gespräch mit ihr zu suchen, sie zu bedrängen. Eine Karin Berndorf ließ sich nicht drängen. Er sollte einfach ins Bett gehen und …
    Sein Blick saugte sich in der Ecke zwischen Nachtschränkchen und Wand fest, da, wo normalerweise die roten Krücken standen, wenn Karin die Prothese trug. Normalerweise! Jetzt war die Ecke leer. Sie musste also gestern, während er im Büro war, hier gewesen sein und sie geholt haben. So schnell wollte sie folglich nicht zurückkommen.
    In einem plötzlichen Anfall von Panik riss Chris die Schranktür auf, hinter der ihre Sachen verstaut waren. Ein paar ihrer geliebten karierten Blusen hingen auf Bügeln, zwei Jeans und drei Pullover lagen auf einem unordentlichen Haufen. Aufatmend schloss er die Tür wieder.
    Als es gleich darauf

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