Mara und der Feuerbringer Band 2 - Das Todesmal
folgte seinem Fingerzeig und stutzte. Sie standen auf den verwitterten Resten einer Mauer. Oder zumindest vermutete sie, dass es mal eine Mauer gewesen war. Denn eigentlich konnte man nur mit Sicherheit sagen, dass Steine so nicht aus dem Boden wuchsen.
»Da ist aber nicht mehr viel übrig von der Burg«, bemerkte Mara trocken.
»Ja, da hast du recht. Darum nennt man das hier ja auch Burgstall.«
»Weil man hier damals die Pferde aus der Burg untergestellt hat?«
»Ha, nein. Das Wort Burgstall kommt aus dem Mittelalter und bedeutet in etwa so was wie Die Stelle, an der eine Burg stand . Also, wenn man so will, die Burgstelle . So bezeichnet man Reste, die nicht mal mehr eine Ruine sind«, erklärte der Professor geduldig.
»Okay, und was sollten wir hier jetzt noch mal suchen?«, versuchte sich Mara zu erinnern. Die Verse der drei Beten waren einfach zu altertümlich dahergekommen und die Ausführungen des Professors hatte sie, ehrlich gesagt, ein bissche n … na ja, vergessen.
Doch gerade als sie dabei war, sich die Reime in Erinnerung zu rufen, bemerkte sie etwas im Halbdunkel der Bäume. Nein, nicht etwas, sondern jemand: Ein Junge, etwa in ihrem Alter und mit auffallend blondem halblangem Haar, stapfte durch das Unterholz und schien etwas zu suchen. Sie deutete in die Richtung. »Schauen Sie mal, da ist wer.«
»Bitte was?«, rief der Professor, der inzwischen neugierig die Reste der Burgmauer abgeschritten war. Sein Blick folgte Maras Finger, doch anscheinend sah er nichts.
»Na da! Da drüben zwischen den B… okay, schon klar. Ist wohl mal wieder etwas, das nur ich sehen kann«, seufzte Mara und beeilte sich, den Professor einzuholen. Schon bei den letzten Schritten streckte sie ihre Hand aus und der Professor reckte ihr die seine entgegen. Kaum berührten sie sich, ließ Mara ihre Gabe fließen und er zog erstaunt die Luft durch die Zähne. »Es ist doch wirklich immer wieder erstaunlich.«
»Sehen Sie ihn?«
»Na klar, so deutlich wie die Bäume drum herum. Und fällt dir das Gleiche auf wie mir?«
»Die langen lockigen Haare?«
»Nein, die Kleidung. Dieser junge Kerl trägt den Kittel eines Müllersburschen aus dem Spätmittelalt… Natürlich! Das ist es! Lobpreiset das Internet, haha! Ich hab’s!«
»Was denn? Was denn?!«, nörgelte Mara. Wie konnte er nur so viele Worte vergeuden, sich zu freuen, anstatt diese zu verwenden, um ihr sofort alles zu erzählen?!
»Komm! Wir müssen dem Jungen folgen, Mara! Aber heimlich! Ich habe nämlich vorhin im Internet nach den Sagen im Raum Leutstetten und Mühlthal gesucht«, flüsterte der Professor, während sie Hand in Hand hinter dem Jungen herschlichen. »Und da bin ich darauf gestoßen, was höchstwahrscheinlich mit der Nornen Schatz gemeint ist. Du erinnerst dich, dass wir von jener Stelle aus …«
»… einundachtzig Schritte gehen sollen. Und? Was erzählt die denn, die Sage?«, flüsterte Mara aufgeregt zurück.
»Also, in Kürze geht es um drei geisterartige Burgfräulein, die doch glatt drei Schatztruhen bewachen. Sie bezirzen einen Müllersburschen und locken ihn in die Keller der Burg, um dort nacheinander neun Türen zu öffnen. Wenn er das fertigbringt, gehört ihm der Schatz.«
»Ui!«, machte Mara. Das war doch endlich mal etwas anderes als Feuerriesen und Todesgöttinnen. »Und wir suchen jetzt den Schatz?«, fragte sie aufgeregt.
»Nein, wir suchen nur die Stelle, wo er sein soll. Von dort gehen wir einundachtzig Schritte«, zischte der Professor zurück. »Wir sollten uns auf gar keinen Fall in diese Sage einmischen, Mara.«
»Aber … aber Schatz ! Ich meine, ein Schatz ! In einer Truhe !« Mara konnte es gar nicht fassen.
»In drei Truhen, um genau zu sein.« Verbesserte der auch noch. Mara raufte sich mit der freien Hand die Haare. »Ahh! Ich pack’s nicht! Drei Schatztruhen! Und die wollen Sie da hinter der Tür liegen lassen?«
»Also bitte, Mara Lorbeer. Du bist doch sonst so vernünftig … meistens. Wieso macht dich das Wort Schatz jetzt so hibbelig?«
Mara wollte zuerst etwas Aufgeregtes zurückstammeln, in dem das Wort Schatz ein paar Mal vorkam, und dazu aufgeregt mit der freien Hand gestikuliere n – aber dann dachte sie doch erst einmal kurz nach. Es stimmte schon, sie war nicht nur hibbelig, sondern sogar richtig genervt von Professor Weissinger, dass er den Schatz nicht heben wollte.
Und da fiel es ihr auch schon ein. Wie oft schon hatte sie einen Film oder eine Serie gesehen, in der etwas zum Greifen
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