Mara und der Feuerbringer Band 2 - Das Todesmal
nah war, und dann kam irgendein meist älterer Spielverderber, hob den Zeigefinger und sagte feierlich: »Ihr dürft das nicht tun und wenn ihr es doch tut, dann Alles-tausend-bla-ganz-schlimm!« Und diese Nummer war nicht nur aufs Fernsehen beschränkt. Ganz ehrlich, das hatte sie sogar schon im Religionsunterricht genervt. Warum zum Beispiel hatte Gott diesen Apfelbaum mitten ins Paradies gestellt, wenn er dann keinen der Äpfel abgeben wollte?
Für Mara war klar: Wenn ich nicht will, dass jemand meine Äpfel isst, dann mach ich ein Schild dran mit der Aufschrift »Vorsicht, giftige Würmer«. Aber einen Baum da hinzustellen, der zu allem Überfluss auch noch »Baum der Erkenntnis« heißt und dann zu erwarten, dass die Menschen bis in alle Ewigkeit einen braven Bogen drum herum machten? Also bitte!
Und genau so kam es ihr jetzt vor. Da gab es also einen Schatz, und was gab es Cooleres, als wirklich und wahrhaftig einen Schatz zu finden? In einer Truhe? Argh, in drei Truhen? Wozu war der denn bitte da, wenn nicht, um gefunden zu werden? Also echt!
Der Professor bemerkte sehr wohl, dass Mara neben ihm brütete: »Fräulein Lorbeer, also, bei aller verständlichen Begeisterung über einen Märchenschatz, möchte ich doch sehr darum bitten, mich jetzt nicht als Spielverderber hinzustellen.«
»Auch dann nicht, wenn es aber grad ganz gut passen tät?«
»Auch dann nicht! Denn die Sage spricht von Burgfräulein oder Jungfrauen, aber die Beten haben sie Nornen genannt. Und die Nornen aus der Zeit dieser Sage sin d «
»Psst!«, machte Mara und zog den Professor energisch an der Hand zu Boden hinter einen halbhohen Felsen.
Der Junge war plötzlich stehen geblieben. Hatte er etwas gehört? Falls ja, schien es ihm allerdings ziemlich egal zu sein, denn er lehnte sich an einen Baum und zog einen Apfel hervor. Den aß er nun genüsslich, während er auf etwas zu warten schien.
Trotz der unbequemen Haltung dozierte Professor Weissinger leise weiter: »Die Nornen waren im späten Mittelalter nämlich nicht mehr die nordisch-germanischen Schicksalsweberinnen am Urdbrunnen. Denk zum Beispiel mal an Dornrösche n … «
»… hat mich immer genervt, warum das Dornröschen schon Dornröschen genannt wird, bevor irgendwer weiß, dass das Schloss später mal von dornigen Röschen eingeschlossen wird«, giftelte Mara, gerade weil sie schon ahnte, dass der Professor gleich mal wieder recht haben würde.
»Sehr witzig, Gratulation. Aber erinnere dich bitte an die zwölf Feen, die Dornröschen bei der Geburt all die netten Sachen wünschen. Das sind die märchenhaften Überreste der einstigen Schicksalsweberinnen. Was macht der Junge?«
Sie spähte vorsichtig über den Rand des Felsens. Der Junge stand immer noch da, sah aber nicht zu ihnen herüber. Wartete er auf etwas?
»Er steht da drüben, wartet auf irgendwas und seit wann haben wir jetzt bitte Schiss vor Feen, die nette Sachen wünschen?«, bohrte Mara weiter, die nicht so schnell aufgeben wollte. Manchmal war es doch praktisch, ein vierzehnjähriges Mädchen zu sein: Man konnte deutlich länger bocken und etwas nicht einsehen als Erwachsene. Maras Rekord lag bei viereinhalb Wochen.
»Weil es noch eine dreizehnte Fee in dem Märchen gibt und die ist alles andere als nett, Herrgottnochmal!«, schimpfte der Professor und plötzlich kam sich Mara wie ein Doofie vor.
»Also noch einmal zum Mitschreiben, Mara Lorbeer. Im Mittelalter haben wir es mit BÖSEN Nornen zu tun. Die Sage, der wir gerade hinterherrennen, stammt auch aus dem Mittelalter. Es endet damit, dass die drei Damen verdammt wütend sind auf den jungen Müller. Der erlöst sie nämlich nicht, sondern rennt weg und die Nornen ihm hinterher! Und dann sollten wir auf keinen Fall dumm in der Schusslinie herumstehen. Noch Fragen?«
Mara seufzte und schüttelte den Kopf. Keine Fragen mehr. Stattdessen wagte sie einen weiteren Blick über den Felsen. »Oh Mist!«
»Was ist denn?«, zischte der Professor und rappelte sich auf.
Mara deutete auf die Stelle, an der der Müllersbursche eben noch gestanden hatte. »Na, weg ist er!«
Kapitel 13
D ie beiden wagten sich hinter dem Felsen hervor und gingen erst vorsichtig, doch dann immer schneller auf die Stelle zu. Nichts war weit und breit zu sehen. Nur Waldboden, Bäume und der ein oder andere Mauerrest.
Schließlich standen sie genau da, wo der Junge verschwunden war, und sahen sich ratlos um.
»Ich glaube nicht, dass er weitergegangen ist …«, sagte Mara.
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