Mara und der Feuerbringer, Band 3: Götterdämmerung (German Edition)
sie ihren Geist, um alle sehen zu lassen, wie es Odins Frau erging.
Im ersten Moment sah sie nur so etwas Ähnliches wie schillernde Spinnweben. Doch als die Fäden sich wie ein Netz um den Feuerbringer legten und dabei tief in die Flammengestalt einschnitten, sah Mara auch Frigg selbst. Sie hielt die seltsamen Fäden gerafft in beiden Händen und riss sie mit einem Ruck zu sich zurück. Bevor sich Loge neu zusammensetzen konnte, peitschten die Spinnfäden schon wieder kreuz und quer durch die Flämmchen und löschten unzählige von ihnen mit jeder Berührung.
Mara konnte den kunstvollen Bewegungen kaum folgen, so schnell ließ Frigg ihr glitzerndes Netz tanzen. Obwohl ihr die Flammen des Feuerbringers die Haare versengten und auch an ihren Händen Brandblasen zu sehen waren, ruhte Odins Gattin nicht eine Sekunde, bis keine einzige Flamme mehr übrig war. Erst dann brach sie zusammen und rührte sich nicht mehr.
»Ehre sei dir, Frigg«, sprach Freyja und schickte auch ihr die Winde entgegen, um sie zurückzuholen.
Überraschend landete in diesem Moment Thor direkt vor ihnen recht unsanft auf dem Geröll der geborstenen Steine von Asgard. Mara konnte bereits durch seinen massigen Körper hindurchsehen, und trotzdem wirkte er noch stolz und stoisch wie zuvor. Wortlos stand er auf, trat zu Mara und den anderen, neigte kurz sein Haupt und fasste dann zu Maras Erstaunen ebenfalls an den Stab. Die letzten Reste seiner Kraft flossen durch sie hindurch, und Mara sog erschrocken die Luft ein, als Thor einfach verschwand.
»Was ist mit ihm passiert?«, rief Mara, und Sigyn antwortete sanft in ihrem Kopf: Dem Kampf gab er alles, was er hatte. Das, was er war jedoch, das gab er nun uns, um Wind und Wellen weiter zu nähren.
Mara sagte nichts, denn sie verstand. Thor hatte ohne zu zögern sein wiedergewonnenes Selbst gegeben, um ihre Chancen auf einen Sieg zu erhöhen. Dafür war er abermals freiwillig in den Schlaf zurückgekehrt, in dem er Hunderte von Jahren verbracht hatte.
Diese Opferbereitschaft hätte Mara von dem aufbrausenden Thor so nicht erwartet. Umso edler erschien er ihr nun, und sie erkannte, dass sie den Donnergott wohl unterschätzt hatte.
Ein Sturm von Bildern drängte sich plötzlich in Maras Geist, und wieder war ihr erster Impuls, sie zu unterdrücken. Doch sie erkannte schnell, dass dies die Eindrücke mehrerer kämpfender Götter und Göttinnen waren, die nun mehr oder weniger gleichzeitig den Kampf gegen ihre Inkarnation des Feuerbringers aufnahmen.
Sól, Eir, Forseti, Syn, Ullr, Sif … Mara kannte alle ihre Namen, sobald sie ihnen im Kampf nah war. Sie sah Dolche blitzen, Speere wirbeln und verschiedene Schwerter mit übermenschlicher Geschicklichkeit durch die Flammen schneiden. Der bartlose und doch irgendwie uralt wirkende Ullr schoss schillernde Pfeile aus seinem Bogen in solch einer Geschwindigkeit auf den Feuerbringer ab, dass Mara vom Zusehen schlichtweg überfordert war. Er wendete sich hierhin und dorthin, gleichzeitig schienen mehrere Pfeile gleichzeitig in unterschiedlichen Richtungen den Bogen zu verlassen. Mara hatte so etwas noch nie gesehen, und sie wusste, dass nichts davon für einen Menschen jemals möglich sein würde. Und doch trug Ullr am ganzen Körper starke Verbrennungen davon, da er mit seiner Waffe kaum nahkampftauglich war und die Flammen ihn immer und immer wieder unerbittlich ansprangen. Mara sah, wie ein Gott namens Forseti geschickt den Schlägen von Loge auswich und dabei dafür sorgte, dass sein Schwert immer dort war, wo der Feuerbringer hinschlug.
Sie erkannte den einarmigen Tyr, obwohl sie kaum etwas sah außer der wild wirbelnden Klinge seines Schwertes.
Sif, Thors Frau, brauchte keine Waffe. Sie führte ihre schimmernden Haare wie eine Peitsche.
Ebenso Viðarr, der nur seine Hände und Füße gebrauchte und die Flammen unter seinen ledernen Schuhen erstickte.
Gleichzeitig kamen viele Götter und Göttinnen zurück nach Asgard, und sie alle gingen auf die gleiche Weise wie Thor. In dem Moment, in dem sie den Stab berührten, gaben sie ihre letzten Kräfte und waren vergangen.
Heimdall kehrte zurück.
»Thumelicus!«, schrie Mara auf, als sie erkannte, dass der alte Wächter einen schlaffen Körper in seinen breiten Armen trug.
Aber es war Loki. Erstaunlich behutsam legte der alte Gott seinen einstigen Widersacher auf dem steinigen Boden ab. Loki sah schrecklich aus. Rußgeschwärzt und mit Brandblasen an den Armen lag er vor ihnen, und sein Atem ging
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