Mara und der Feuerbringer, Band 3: Götterdämmerung (German Edition)
flach.
»Er nahm sich den größten Vulkan«, sprach Heimdall leise. »Und als er seinen Feind bezwungen hatte, kam er mir zuvor, um auch den meinen zu besiegen. Nur um mir zu zeigen, dass er mächtiger ist als ich.«
Mara blinzelte erschrocken, als kurze Eindrücke dessen, was Heimdall erzählte, in ihrem Geist aufblitzten: Heimdall, der schrie, um Loki zu stoppen. Loki, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, und doch angriff. Die brennenden Arme des Halbgottes, denen ein Dolch entglitt. Dahinter Heimdall, der eine haushohe Version des Feuerbringers mit seinem Schwert zerteilte.
Nun war es an Sigyn, sich nicht loszureißen. Sie beherrschte sich und blieb konzentriert, doch Mara spürte ihre Angst, als wäre es die eigene.
»Ach, Loki, Geliebter, was musstest du beweisen«, flüsterte Sigyn voller Schmerz in der Stimme. »Immer wolltest du mehr sein als der, der du bist. Und bist dabei doch so viel mehr, als du selbst ahntest … «
Urplötzlich schlug Loki die Augen auf und funkelte Heimdall wütend an. »Gerettet von einem Greis! Du hast mich entehrt!«
»Nenne es, wie du magst, eine Schuld ist nun beglichen«, antwortete der alte Gott feierlich, griff an den Stab, gab seine Kraft und verblasste.
Loki sah eine Weile nachdenklich an die Stelle, wo Heimdall eben noch gestanden hatte. Dann zuckte er mit den Achseln, schloss erschöpft die Augen und sank nieder. Er war der Einzige, der anscheinend nicht einmal daran dachte, seine Kraft für die anderen zu opfern.
Thumelicus!, rief Mara stumm hinaus, doch sein Schicksal blieb ihr verschlossen.
Dein Junge, er tat, was kein Mensch jemals tat!, hörte sie da Freyjas Stimme. Er starb zweimal. Sein Schicksalsfaden ist somit durchtrennt, niemand vermag zu sagen, was passiert. Und kein Wesen aller Welten, sei es Gott, Magierin oder Seherin, weiß, was ihm geschieht. So kannst auch du nicht sehen, was du bei allen anderen sahst. Wer das Schicksal von sich weist, dem bleibt nur die Hoffnung auf Glück und die eigene Stärke.
Ich gehe nicht.
Als der letzte Vulkan erlosch, waren auch sechzehn Götter neben Mara erloschen. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie danach noch standen, den Stab umklammert.
Geh nicht fort.
Längst spürte Mara ihre Finger nicht mehr. Der Rücken hatte irgendwann wehgetan und dann auch die Beine. Auch das war irgendwann vergangen.
Ich bin hier.
Mara hatte gar nicht bemerkt, wie Njörðr irgendwann verschwunden war. Sie hätte ihm noch so gerne gedankt.
Ich komme zurück.
Als auch durch Freyjas Körper hindurch die untergehende Sonne zu sehen war, wendete sich die Göttin an Mara und ihre Mutter: Gullveig hieß ich, Heid genannt, Freyja wurde ich, sprach sie in Gedanken und lächelte. Der Seherinnen Geschlecht die Erste war ich. Die Letzten seid ihr. Litilvölva, bekommst eine Tochter dereinst wie alle vor dir. Lehre sie weise, die Letzte ist sie. Lebt wohl!
Und mit diesen letzten Worten verschwand Freyja, Göttin, Magierin, Seherin und gab somit ihre letzte Kraft.
Ich gehe nicht.
Sigyn stöhnte, und Mara bemerkte mit Schrecken, dass auch sie langsam verblasste.
»Sigyn! Nicht du! Lass den Stab los, wir schaffen das alleine!«, rief Mara, doch Lokis Frau ließ die Hände, wo sie waren.
»Das Wasser sah ich euch walten, doch verwegen sind die Wege des Windes«, sprach sie, und Mara spürte, wie sie zitterte.
»Kaum vermag ich, was Freyja vermochte. Und doch ist mein Geschick noch dem euren überlegen. Lass ich den Stab, kehrt der Junge nicht wieder.«
Sigyn sackte auf die Knie und ächzte. Doch sie ließ nicht los.
Hin und her gerissen zwischen der Sorge um Thumelicus und der Angst um Sigyn wusste Mara nicht, was sie fühlen sollte. Sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg – die Panik, niemandem helfen zu können … Die Furcht davor, einen zu verlieren … oder beide … hilflos … machtlos … eben nur Mara Lorbeer …
»Was steht ihr noch rum!«, hörte Mara da plötzlich Steffi rufen. »Und du auch, Herr Professor!«
Schon spürte Mara, wie viele Hände nach dem Stab griffen.
»Danke«, flüsterte sie, und gleichzeitig wurde ihr etwas klar. Sie war eben nicht nur Mara Lorbeer. Sie war Mara Lorbeer und Professor Reinhold Weissinger, Mara Lorbeer und Steffi, Mara und Sigyn … So viele Menschen taten so viel für sie, trotzten unzähligen Gefahren, opferten sich auf, bereit dem eigenen Tod ins Auge zu sehen. Und dann war da noch ihre eigene Mutter, die genau so alles gab, um Maras Hoffnung nicht sterben zu lassen.
Ich
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