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Márai, Sándor

Márai, Sándor

Titel: Márai, Sándor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die vier Jahreszeiten
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Standpunkt der Bühne aus gesehen, ist es fast gleichgültig, ob die Figuren eines Stücks vom Geist des Genies oder eines Dilettanten sind …«
    »Alle diese Gestalten haben eine Eigenschaft gemeinsam, nämlich dass sie typisch sind. Auf der Bühne tummeln sich allerlei kuriose Typen, scharf umrissene, grelle Charaktere. Der Diener betritt die Szene und ist schon im selben Augenblick so unmissverständlich Diener wie der Meuchelmörder unübersehbar ein Meuchelmörder und die Königin unverkennbar majestätisch ist. Die Bühne, auf der alles Maske, Farbe, Werg und Puderquaste ist, verträgt die Verkleidung am wenigsten.«
    »Die Bühnenfigur denkt nie, hat gar keine Zeit dazu. Sie spricht nur oder handelt. Hin und wieder sagt oder spielt sie, dass sie denkt. In solchen Fällen rufen wir aus: ein großartiger Schauspieler!«
    Dann ging ich zurück in den Zuschauerraum, es hatte schon geklingelt.
    TATJANA
    Es ist nur natürlich, dass Tatjana als Erste schreibt. »Mit diesem Schritt« wird sie richtig weiblich. Versteh das doch endlich, dumme Gans!
    KAZINCZY*
    Warum ich ihn so über alles liebe? Vielleicht weil er seine Laufbahn in Kaschau begann oder weil er in der Gefängniszelle mit seinem eigenen Blut schrieb oder weil er an Berzsenyi* glaubte. Er war einer aus Oberungarn. Und er hatte eine Beredsamkeit. Aus dieser Suada erblühte das Phänomen, das uns heute unter der Bezeichnung »Ungarische Literatur« bekannt ist.
    ARS MORIENDI
    Der Nachlass des vornehmen Herrn wurde versteigert. Er hinterließ Kerzenleuchter, Gobelins, pikante Fotos, gemalte italienische Landschaften ungewisser Provenienz, Notenständer und mythische Gebrauchsgegenstände. Unter seinen Büchern befand sich auch ein deutsches Erbauungsbuch mit dem Titel Ars moriendi .
    Zwei Bücher hätte ich gern aus diesem Nachlass gehabt. Das eine mit dem Titel Rüpel mit dem gelben Ranzen oder: Die Umtriebe eines Wirtssohnes und natürlichen KossuthSprosses . Des Weiteren das Trostbuch, das die Menschheit die Kunst des Sterbens lehrt. Beide Bücher waren zu ihrer Zeit große Verkaufserfolge. Abseits der populären Literatur gibt es diese andere, fast hätte ich gesagt: die richtige. In der Auslage stehen die Dickens’, Tolstois, Aranys. Doch im Bücherschrank des anspruchsvollen Sammlers findet man auch den Rüpel mit dem gelben Ranzen und Ars moriendi .
    Das über die »Kunst des glücklichen Sterbens« geschriebene Trostbuch war im Mittelalter ein vielgelesenes Werk. Natürlich handelte es sich um ein Regelwerk der Deutschen; ursprünglich in lateinischer Sprache verfasst, doch konzipiert hat es der deutsche Geist. Es kann ja gar nicht anders sein. Die lateinischen Völker schrieben eher eine Ars vivendi , lehrten die Kunst des Lebens. Sterben mit Methode, welch germanischer Einfall! Doch das Erbauungsbuch ist nützlich und klug. Eine Zeit, die noch ans Jenseits glaubte, bereitete sich mittels des Büchleins auf die große Reise vor. Dieses Handbuch war der Baedeker des Todes.
    Bei der Versteigerung hat man es mir vor der Nase weggeschnappt. Jetzt stehe ich da, barbarisch und unwissend. Werde also nicht mit Methode sterben können; ohne diese Kunst und auch nicht glücklich.
    LIEBE UND TOD
    Im Blumenladen habe ich unentschlossen herumgesucht, schließlich erstand ich eine einzige Rose, weil es das Eleganteste und auch das Günstigste ist. Während man mir die Blume verpackte, sagte ich:
    »Eigentlich leben Sie von der Liebe und vom Tod, genauso wie die Romanschriftsteller. Verraten Sie mir doch, was ist das bessere Geschäft?«
    Die Blumenverkäuferin sprühte ein wenig Tau auf die Rose und antwortete mit Feingefühl:
    »In unseren Tagen ist es der Tod. Auch der Herr bringt diese einzelne Rose ja einer Lebenden. Wäre die Dame gestorben, würden Sie ihr mindestens zehn Dahlien schicken.«
    DIE LIEBENDEN
    Sie laufen durch die Stadt und durch die Welt, suchen einander. Sie blicken zum Straßenbahnfenster hinaus, eilen in eine Hauseinfahrt und lesen die Namen der Mieter, zerstreut und mit gequältem Gesicht, auch mit der leisen Hoffnung, dass sie vielleicht hier wohnt. Immerfort suchen sie sich gegenseitig. Auf ihren Gesichtern Anspannung, die kaum beherrschte Spannung der Entrücktheit. Mondsüchtige, Amokläufer alle, auch dann, wenn sie am Morgen pünktlich um acht ins Amt gehen. Sie leben unter einem Bann, sind aber zugleich auch korrekte Häusermakler. Irgendetwas geschieht in der Welt. Pass auf! Schau, da kommt er! Sieh dir sein Gesicht an! Wie

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