Marcelli Sisters 03 - Eine Marcelli weiß, was sie will
wusste, dass es nur eine Frage von Sekunden war, bis die ersten negativen Kommentare auf sie niederprasseln würden.
„Gute Ernte“, sagte ihr Großvater milde.
Sie nickte.
„Wahrscheinlich werden wir dieses Jahr sehr viel verkaufen.“
Erneut nickte sie.
„Du hast Schande über die Familie gebracht. Letzten Samstag wollten wir die Verlobung deiner Schwestern feiern. Aber du hast dich mit dem Feind verbündet. Und all das nur, damit du im Mittelpunkt stehst.“
Was gab es dazu noch zu sagen? Brenna schluckte. Die Anschuldigungen waren so unfair, dass es ihr die Sprache verschlug. Aber das war dem alten Mann offenbar nur recht. Denn er war noch lange nicht mit ihr fertig.
„Ist dir eigentlich klar, wer dieser Junge ist? Weißt du, was seine Familie uns angetan hat?“
Nic, ein Junge? Einen Moment lang war Brenna abgelenkt. Doch dann wurde ihr klar, was ihr Großvater da gerade gesagt hatte. Sie ließ das Clipboard fallen und stemmte die Hände in die Hüften.
„Ich weiß ganz genau, wer Nicholas Giovanni ist, Großvater. Erstens bin ich mit ihm zusammen aufgewachsen. Und zweitens hast du uns die Geschichte von der Familienfehde so oft erzählt, dass ich sie auswendig kann. Wort für Wort. Aber der alte Kram interessiert mich einfach nicht.“
Lorenzo zuckte zusammen.
Brenna holte tief Luft. „Und es gibt noch etwas, das du wissen solltest. Vor zehn Jahren habe ich mich in Nic verliebt. Ja, du hörst richtig. Eine deiner Enkelinnen, dein eigen Fleisch und Blut, hatte Gefühle für einen Giovanni. Und zwar ziemlich tiefe Gefühle. Wir haben uns getroffen, Nic und ich. Immer wieder.“
Sie zögerte kurz. Eigentlich war sie gerade so richtig in Fahrt. Aber vielleicht war es doch nicht so klug, jetzt noch die Sache mit dem Sex zu erwähnen. Manche Dinge behielt man besser für sich. Lorenzo erzählte ihr ja auch nicht von seinen Schäferstündchen mit Grandma Tessa. Gott sei Dank!
„Ich habe mich mit Nic über Wein und viele andere Dinge unterhalten. Ich wollte ihn heiraten, Großvater. Und weißt du was? Der Himmel ist nicht eingestürzt. Diese verdammte Familienfehde ist längst vorbei. Und es ist Zeit, dass wir alle endlich mal darüber hinwegkommen.“
Lorenzos Augen funkelten vor Wut. „Du wagst es, mir so etwas zu sagen?“, polterte er los. „Hinter meinem Rücken triffst du dich mit dem Spross unserer Feinde? Bedeutet dir deine Familie so wenig?“
Brenna ließ die Arme sinken. „Verstehst du es nicht? Niemand außer dir interessiert sich noch dafür.“
„Ich respektiere die Traditionen und höre auf den Rat von Menschen, die weiser sind als ich. Daran solltest du dir ein Beispiel nehmen. Du hast schon einen Ehemann, der dich verlassen hat. Siebenundzwanzig Jahre bist du jetzt alt – und was hast du im Leben erreicht?“
Seine Worte trafen sie wie eine Ohrfeige. Brenna trat einen Schritt zurück. Aber noch immer war Lorenzo nicht mit ihr fertig.
„Du bist eine Enttäuschung, Brenna. Ich wollte stolz auf dich sein. Aber du gibst mir keinen Grund dazu. Schon lange nicht mehr.“
Das ist doch billig. Einfach nur billig, versuchte Brenna sich selbst zu beruhigen. Aber deshalb tat es nicht weniger weh. Ihr brannten die Augen, und sie hatte einen Kloß im Hals. Jetzt nur nicht weinen! Wann war man eigentlich alt genug, um so etwas zu hören und sich nicht im Bett verkriechen zu wollen?
Tieftraurig hob Brenna das Clipboard auf und ging zum Haus hinüber.
„Wo willst du hin?“, fragte ihr Großvater.
„Weg. Nur weg von dir.“
„Nein. Du wirst bleiben. Ich habe mit Joe besprochen, dass er herkommt, um sich die Trauben anzusehen. Ah, da ist er schon.“
Brenna sah auf und entdeckte ihren Bruder, der gerade auf dem Weg zu ihnen war. Joe blickte von ihr zu Lorenzo, als würde er die Spannung spüren.
„Und? Wie läuft’s?“, erkundigte er sich.
„Großartig“, antwortete ihr Großvater. „Die Cabernet-Trauben sind gerade reif geworden. Wir werden einen sehr guten Wein daraus machen.“
„Ich habe heute einige der Pflücker auf den Feldern gesehen“, sagte Joe. „Das scheint eine ganz schön harte Arbeit zu sein.“
„Ist es auch“, erwiderte Brenna. „Möchtest du vielleicht gerne ein paar Stunden bei der Ernte mithelfen?“
„Nicht unbedingt. Ich habe Urlaub.“
Lorenzo deutete auf die Felder, die sich hinter der Weinkellerei erstreckten. „Komm. Wir gehen dorthin. Ich zeige dir, wie die Ernte funktioniert und wie wir den besten Wein in der ganzen Gegend machen.
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