Marco Polo der Besessene 1
dieser Feilschereien hätte mit Worten binnen weniger Minuten beendet sein können, doch das wird nie gemacht, da sowohl Käufer als auch Verkäufer von der Hand-im-Ärmel-Methode ihr Gutes haben. Kein Mensch erfährt jemals den Preis, der ursprünglich gefordert wurde, und kein Mensch den, auf den man sich schließlich einigt. Auf diese Weise kann ein Käufer gelegentlich den Händler bis zu einer Summe drücken, die dieser laut zu nennen sich schämen würde; trotzdem kann er zu diesem Preis verkaufen, weil er genau weiß, daß kein möglicher Käufer ihn jemals erfahren und sich zunutze machen wird. Umgekehrt kann aber auch ein Käufer, der versessen darauf ist, eine bestimmte Ware zu kaufen, daß er nicht lange darüber handeln will, den eingangs geforderten Preis zahlen, ohne daß die Umstehenden ihn als Tor und Verschwender auslachen.
Unsere fünf Käufe waren erst abgeschlossen, als die Sonne fast schon untergegangen war, und so blieb uns an diesem Tag keine Zeit mehr, auch noch Sättel zu kaufen; von all den anderen Dingen, die als unbedingt notwendig auf unserer Liste standen, ganz zu schweigen. Wir mußten in den Palast zurück, um den hamman darin aufzusuchen und uns gründlich zu reinigen, ehe wir für die Abendmahlzeit unsere besten Kleider anlegten. Es handelte sich nämlich, wie Arpad uns erklärte, bei dem Festmahl um die traditionelle vorhochzeitliche Männerfeier. Während wir im hammam kräftig durchgewalkt und -geknetet wurden, meinte mein Vater besorgt zu meinem Onkel:
»Mafio, wir müssen dem Ostikan zur Feier der Hochzeit seines Sohnes doch wohl ein Geschenk machen -oder dem Sohn selbst oder seiner Braut, falls nicht überhaupt allen dreien. Mir fällt bloß nichts Passendes ein, das wir uns leisten könnten. Durch den Kauf dieser Reittiere sind wir auch eine Menge Geld losgeworden -ganz abgesehen davon, daß wir noch vieles mehr erstehen müssen.«
»Keine Sorge, darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte mein Onkel zuversichtlich wie immer. »Ich habe einen Blick in die Küche geworfen, in der das Festmahl zubereitet wird. Zum Färben und Aromatisieren der Speisen benutzen die Köche etwas, wovon sie mir sagten, es seien Saflorblüten. Ich habe gekostet und -ist das zu fassen? -es ist nichts anderes als gewöhnlicher cärtamo, also Safranersatz. Richtigen zafrän haben sie nicht. Deshalb werden wir dem Ostikan einen Ziegel von unserem guten goldenen zafrän geben, was ihn bestimmt mehr in Entzücken versetzt als der viele goldene Plunder, den alle Welt sonst schenken wird.«
Wenn auch reichlich verfallen und heruntergekommen, wies der Palast glücklicherweise doch einen großen Speisesaal auf, und das brauchte es auch an diesem Abend, denn schon allein die Männer der vielen Gäste des Ostikan bildeten eine überaus stattliche Schar. Die meisten von ihnen waren Armenier und Araber -wobei zu ersteren auch die ›königliche‹ Familie der Bagratunian samt allen nahen und weit entfernten Verwandten zählte; dazu kamen noch sämtliche Hof-und Regierungsbeamte sowie das, was meiner Meinung nach der Adel von Suvediye sein mußte; dazu noch Legionen von Besuchern aus anderen Gegenden von Klein-Armenien und der übrigen Levante. Die Araber schienen sämtlich dem Stamm der Avedi anzugehören, und das muß ein riesiger Stamm sein, denn die Araber behaupteten durch die Bank alle, Scheichs mehr oder weniger hohen Grades zu sein. Mein Vater, mein Onkel, die beiden Dominikaner und ich waren nicht die einzigen wirklich Fremden; denn die gesamte tscherkessische oder zirkassische Familie der Braut war zur Feier der Vermählung aus den Bergen südlich des Kaukasus herbeigeeilt. Ich behaupte nichts Falsches, wenn ich sage, daß es sich dabei um ausnehmend schöne Menschen handelte -und das wird ja von allen Tscherkessen behauptet; auf jeden Fall waren sie an diesem Abend die bestaussehenden Männer.
Das Festmahl bestand aus zwei verschiedenen Gerichten, die gleichzeitig gereicht wurden und aus zahllosen Gängen bestanden. Bei diesen Gängen, die uns und den armenischen Christen gereicht wurden, handelte es sich um höchst unterschiedliche Speisen -einfach deshalb, weil ihnen nicht durch abergläubische Speisevorschriften Grenzen gesetzt wurden. Die Gänge hingegen, die den muslimischen Gästen vorgesetzt wurden, durften keinerlei Speisen enthalten, die der quran ihnen verbietet -Schweinefleisch selbstverständlich und Schalentiere sowie das Fleisch aller möglichen Tiere, die in Löchern leben,
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