Marco Polo der Besessene 1
wobei es gleichgültig ist, ob sich diese Löcher im Boden befinden oder in einem Baum, oder in irgendwelchem Schlamm unter Wasser.
Ich kümmerte mich jedoch nicht sonderlich um das, was den arabischen Gästen gereicht wurde, sondern erinnere mich nur, daß der Hauptgang für uns Christen ein Jungkamel war, das mit einem Lamm gefüllt war, welches wiederum mit einer Gans gefüllt war, die ihrerseits mit gehacktem Schweinefleisch, Pistazien, Rosinen, Pinienkernen und Gewürzen gefüllt war. Außerdem gab es gefüllte Auberginen, gefüllte Kürbisse und gefülltes Weinlaub. Zum Trinken gab es Sorbets, die aus immer noch gefrorenem Schnee bereitet waren, den man aus weiß der liebe Himmel was für Bergeshöhen und zu welchen Kosten heruntergeschafft hatte. Die Sorbets hatten vielerlei Geschmack - Zitrone, Rose, Quitte und Pfirsich -und waren sämtlich mit Narden und echtem Weihrauch aromatisiert. An Süßigkeiten gab es Butter-und Honiggebäck, knusprig wie Honigwaben, und eine halwah genannte Paste, die aus zerstoßenen Mandeln bestand, außerdem Limonentörtchen und kleine Plätzchen, die -was unglaublich klingt -aus Blütenblättern der Rose und Orangeblüten bestand; dazu ein Konfekt aus nelken-und mandelgefüllten Datteln. Außerdem gab es unvergleichlich wohlschmeckenden aahwah. Des weiteren gab es Wein aller möglichen Färbungen und andere berauschende Getränke.
Die Christen wurden durch diese Getränke rasch betrunken, doch standen Araber und Tscherkessen ihnen nicht viel darin nach. Es ist wohlbekannt, daß der muslimische quran ihnen berauschenden Weingenuß verbietet; weniger bekannt ist es, daß die Muslime diese Vorschrift buchstabengetreu befolgen.
Ich möchte erklären, wie das geht. Da Wein zur Zeit, da der Prophet Muhammed den guran schrieb, das einzige trunken machende Getränk gewesen sein muß, kam es ihm gar nicht in den Sinn, den Genuß aller berauschenden Getränke zu untersagen, die später entdeckt oder erfunden werden sollten. Infolgedessen tun viele Muslime, selbst solche, die in anderer Hinsicht streng gläubig sind, sich -zumal an Festtagen keinerlei Zwang an, wenn es darum geht, berauschende Getränke zu sich zu nehmen, die nicht, wie der Wein, aus Trauben hergestellt werden, und auch ein Kraut zu kauen, das sie mal hashish, mal banj, bhang oder ghanja nennen, welches den Geist weit stärker in Unordnung bringt als Wein.
Da es an diesem Abend viele erfrischende Getränke gab, von denen der Prophet sich nie etwas hätte träumen lassen: ein perlendes, urinfarbenes Getränk namens abijau, das aus Getreide gebraut wird, des weiteren medhu, ein vergorenes Honiggetränk, und gummiartige Häufchen hashish zum Kauen was zur Folge hatte, daß sämtliche Araber und Tscherkessen alsbald genauso hohlköpfig und lustig, streitsüchtig und wehleidig wurden wie alle Christen. Nun, nicht alle Christen; mein Onkel wurde geistig merklich getrübt und gab sich ungewohnt sangesfreudig, doch mein Vater, die Mönche und ich enthielten uns dieser Genüsse.
Es gab eine Schar von Spielleuten -oder Akrobaten, es war schwierig zu entscheiden, was eigentlich, denn sie vollführten beim Spielen die erstaunlichsten Verrenkungen und Kunststücke. Bei den Instrumenten handelte es sich um Sackpfeifen und Trommeln sowie Lauten mit langem Hals; allerdings hätte ich ihre Musik ein schreckliches Gezeter und Gejaule genannt -nur muß ich zugeben, daß es an sich bewunderungswürdig war, daß sie beim Vollführen von Salti und beim Auf-den-Händen-Laufen und Beim-sich-gegenseitigauf-die-Schulter-Springen überhaupt spielen konnten.
Die Gäste knieten oder hockten oder lagen hingegossen auf daiwan-Kissen, um die Speisetücher herum, die jeden Quadratfuß Boden bedeckten, bis auf die schmalen Gänge, auf denen Diener und Dienerinnen in gebückter Haltung hin-und herhuschten. Die Gäste erhoben sich einer nach dem anderen, einzeln oder in Gruppen, um dem Ostikan und seinem Sohn, die auf erhöhter Plattform ein wenig über den anderen saßen, die Geschenke, die sie für die Hochzeit mitgebracht hatten, darzureichen. Sie knieten nieder und verneigten sich und hoben mit den Händen Krüge und Schüsseln aus Gold und Silber in die Höhe, oder edelsteinbesetzte Broschen und Stirnreifen und Anstecknadeln für den Turban oder silber- oder golddurchwirkte Stoffe und viele andere feine Dinge.
An diesem Abend kam ich dahinter, daß in den Ländern des Ostens der Empfänger eines Geschenks sich nicht nur mit einem Dankeschön
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