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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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keinen Fall wollte, daß irgendwelche Zauberer seine Fußnägel in die Hände bekämen? Wahrscheinlich haben unsere Gesichter unsere Zweifel verraten, und vermutlich hat Kagig es gesehen, denn schließlich raffte er sich in die Höhe, wankte zum Speisesaal hinaus und stapfte nach oben, um die Prinzessin aus der Abgeschiedenheit ihrer Kammer herauszuholen.
    Als er sie, am Handgelenk gepackt, hinter sich herschleifte, versuchte sie sich jungfräulich züchtig zurückzuhalten, wollte aber gleichzeitig auch nicht den Eindruck erwecken, sich zu sträuben, wie es sich für eine gute Ehefrau nicht geziemt. Jedenfalls brachte er sie in den Saal herunter, stellte sie vor die versammelten Gäste und nahm ihr den chador ab, der ihr das Gesicht bedeckte.
    Wären die Gäste nicht alle mit den vor ihnen stehenden Köstlichkeiten beschäftigt gewesen und die Mehrzahl überdies auch schon ziemlich angetrunken, so hätte bestimmt jemand Kagig daran gehindert, etwas derartig Ungehöriges zu tun. Selbstverständlich hatte das erzwungene Auftreten des Mädchens ein aufbegehrendes Murren zur Folge, am lautesten und wütendsten unter den männlichen Verwandten der Tscherkessin. Wir anderen mochten Kagigs Verstoß gegen die guten Sitten zwar bedauern, hatten jedoch unser helles Entzücken an dem, was dieser uns enthüllte. Denn die psih Seosseres war in der Tat ein hervorragendes Beispiel für die zu Recht gerühmte Schönheit ihres Volkes.
    Sie hatte langes gewelltes Haar sowie eine atemberaubend gute Figur, und ihr Gesicht war so bezaubernd, daß der Hauch von akohlum die Augen und der rote Beerensaft auf ihren Lippen völlig überflüssig waren. Die helle Haut des Mädchens erglühte rot vor Verlegenheit, und sie ließ uns ihre qahiüahbraunen Augen nur für einen flüchtigen Moment sehen, ehe sie sie verschämt senkte. Immerhin konnten wir uns an ihrer makellosen Stirn und den langen Wimpern, ihrer vollkommenen Nase, dem liebreizenden Mund und dem zarten Kinn satt sehen, denn Kagig zwang sie mindestens eine volle Minute hindurch, sich unseren Blicken preiszugeben, und vollführte dabei ulkige Verbeugungen und weitausholende Gesten, um sie uns vorzustellen. Kaum ließ er ihr Handgelenk los, entfloh sie dem Saal und entschwand unseren Blicken.
    Die Armenier sollen einst gute und tapfere Männer gewesen sein und kühne Waffentaten vollbracht haben. In unseren Tagen bilden sie jedoch nur einen schwachen Abklatsch von richtigen Männern, die zu nichts anderem taugen als dazu, zu trinken und im bazär andere übers Ohr zu hauen. So hatte ich es gehört, und so wurde es mir nun vom Sohn des Ostikan bewiesen. Dabei meine ich noch nicht einmal die Art und Weise, wie er vor den männlichen Zechern mit seiner Braut großgetan, sondern das, was danach geschah.
    Nachdem Seosseres entflohen war, ließ Kagig sich an unserem Speisetuch zwischen meinem Vater und mir niederplumpsen, sah sich mit einem selbstgefälligen Grinsen in der Runde um und fragte mit lauter Stimme, so daß alle es hören konnten: »Nun, wie findet ihr sie?« Die männlichen Verwandten des Mädchens in der Nähe reagierten nur mit finsteren Blicken; andere Männer in der Nähe gaben halblaut gemurmelt respektvolles Lob von sich. Kagig zierte sich, als priesen sie ihn, und schickte sich an, sich noch mehr zu betrinken und noch vulgärer zu werden. Er fuhr fort, seine Prinzessin über alle Maßen zu lobpreisen, und ging dazu über, weniger bei der Schönheit ihres Gesichts zu verweilen als vielmehr bei den Reizen gewisser anderer Körperteile, aus seinem Gegrinse wurde unverhohlene Geilheit, und von seinen violetten Wulstlippen troff der Speichel. Es dauerte nicht lange, und er war von Wein und Lüsternheit dermaßen benebelt, daß er murmelte: »Warum warten? Warum soll ich warten, bis der alte Dimirjian irgendwelche Worte über uns krächzt? Ich bin ihr Ehemann, nur noch der Form halber nicht. Heute nacht, morgen nacht, was macht das schon für einen Unterschied...?«
    Unversehens rappelte er sich von den Kissen hoch, wankte abermals zum Saal hinaus und stapfte schwerfüßig die Treppe hinauf. Wie ich schon gesagt habe, war der Palast ein ziemlich baufälliges Gebäude, und so konnte jeder, dem -wie mir etwas daran lag, die Ohren spitzen und mitbekommen, was jetzt geschah. Doch keiner von den anderen Gästen, nicht einmal der Ostikan selbst oder die Tscherkessen, die ein besonderes Interesse daran hätten nehmen können, schienen Kagigs unvermitteltes Verschwinden zu bemerken und

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