Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marcos Verlangen

Marcos Verlangen

Titel: Marcos Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gambrinus
Vom Netzwerk:
mich da aus, glaub mir. Also rede endlich, sonst werde ich ernsthaft böse.“
    Sie streifte ihn mit einem kurzen Blick. Seine gerunzelte Stirn unterstrich die Deutlichkeit seiner Worte und ließ keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Besorgnis. Ella seufzte kurz auf und schluckte ein paar Mal heftig.
    Sie hatte ihn nicht mit ihren Schwierigkeiten konfrontieren, hatte ihm nicht die Verantwortung bewusst machen wollen, die sie ihm würde übergeben müssen – für sie. Doch sie konnte ihm ansehen, dass er sich nicht mit vagen Ausreden zufrieden geben würde.
    Sie holte tief Luft. „Ich habe mit meinen Eltern gesprochen“, setzte sie mühsam an und räusperte sich verlegen.
    „Und?“
    „Sie waren nicht begeistert.“
    Marco musterte sie einen Moment lang schweigend. Sein intensiver Blick schien sie bis in ihr Innerstes durchleuchten zu wollen.
    „Davon bin ich selbstverständlich ausgegangen, das ist für sich allein genommen noch keine besonders auffällige Reaktion. Und so wie ich dich einschätze, ist das auch keine Reaktion, die eine solche Verzweiflung in dir auslösen sollte. Außer...“
    Ella schwieg. Beklommen fragte sie sich, warum sie eigentlich vorher nie versucht hatte, sich einen neuen Job zu suchen und sich so von ihren Eltern zu lösen. Marco würde sie für einen Waschlappen halten, wenn er erfuhr, wie wenig sie es geschafft hatte, sich gegen ihren Vater zu behaupten.
    „Wenn du nicht endlich redest, Ella, dann machst du mich wirklich wütend, weißt du das?“
    „Es ist mir peinlich und ich bin gleichzeitig unheimlich sauer“, stieß sie leise hervor.
    „Was ist dir peinlich, verdammt noch mal? Nun sag schon! Wie soll ich die Situation einschätzen und dir helfen können, wenn du den Mund nicht aufmachst!
    „Sie – also, mein Vater hat mich praktisch rausgeworfen.“
    Er starrte sie fragend an. „Und?“
    Nun hob sie den Blick zu seinen Augen und erwiderte den seinen mit mindestens der gleichen Irritation. „Was und?“
    „Was ist daran so schlimm? Er hat dich rausgeworfen – er kriegt sich auch wieder ein. Das ist eine verständliche erste Reaktion, und zwar in doppelter Hinsicht.“
    Ella runzelte die Stirn. „Du kennst meinen Vater nicht und kannst nicht wissen, was das heißt. Da ist nichts mit 'sich wieder einkriegen', das existiert für ihn nicht! Er redet schon seit einer Ewigkeit nicht mehr mit seiner eigenen Schwester, weil die sich nach langen Jahren großer Probleme erlaubt hat, sich endlich von ihrem Mann zu trennen – gegen seinen erbitterten Widerstand. Ich habe mich nun zum ersten Mal ebenfalls ernsthaft widersetzt, das kann er überhaupt nicht vertragen und das macht mich stinkwütend. Und ich habe nicht die geringste Lust, hier auch wieder nachzugeben.“
    Marco zögerte einen Moment. „Ein echter Macho also! Du bist seine einzige Tochter?“
    „Das einzige Kind, ich habe keine Geschwister.“
    „Und du hättest natürlich ein Junge werden sollen.“
    „Natürlich, wie das eben manchmal so ist.“ Sie zuckte die Schultern.
    Langsam wurde das Bild, das Marco sich von Ella und ihren Familienverhältnissen machte, klarer.
    „Ich kann ihn ja irgendwie sogar verstehen, deinen Vater“, meinte er dann langsam und lächelte leicht über ihre Reaktion. Sie verzog missbilligend den Mund und runzelte finster die Stirn.
    „Ja, natürlich. Jeder versteht meinen Vater. Nur mich versteht keiner“, versetzte sie bitter.
    Marco lachte. „Kein Grund, beleidigt zu sein, mein Engel. Kein Vater verliert gerne seine Tochter, die einzige noch dazu, und kein Unternehmer verliert gerne seine beste, billigste Arbeitskraft. Deinem Vater ist beides auf einmal passiert, kein Wunder, dass er überreagiert. Ansonsten scheint er ein rechter Tyrann zu sein.“
    „Und ich bin über dreißig Jahre alt – ich sollte mich doch langsam von all diesen Zwängen abgenabelt haben und auf eigenen Beinen stehen, findest du nicht?“
    „Du stehst doch auf eigenen Beinen“, gab er erstaunt zurück. „Du lebst dein eigenes Leben, du hast deine eigene Wohnung und deine eigenen Freunde – was willst du mehr?“
    „Unabhängig sein. Meine eigene Arbeit haben, einen echten Beruf ausüben.“
    „Es ist doch völlig normal, im Familienbetrieb mitzuarbeiten. Ella vergiss nicht wo wir hier leben. Das ist Italien, unsere Traditionen sind seit Generationen so gewachsen. Unsere Gegend hier funktioniert seit Jahrzehnten so. Ob das die Händler sind, die von Markt zu Markt ziehen, die Landwirte, die

Weitere Kostenlose Bücher