Marcos Verlangen
du mir weder etwas zu verbieten noch zu erlauben hast“, stellte Ella mit ruhiger, aber unnachgiebiger Stimme fest. „Ich bin erwachsen und kann mir meine Arbeit selber aussuchen. Außerdem warte ich so lange, bis du Ersatz für mich gefunden hast, erst dann gehe ich.“
„Ich bin trotzdem strikt dagegen, hörst du?“
„Papá – ich habe nicht um deine Erlaubnis gebeten. Ich habe dich informiert, dass ich es tun möchte. Und ich werde es tun.“ Ella war langsam, aber sicher am Ende mit ihrer Geduld. Sie hatte ihr Ziel zwar lieber friedlich erreichen wollen, aber spätestens jetzt war ihr klar, dass ihre Chancen schlecht standen.
„Wollen doch erst einmal sehen, ob du dich das traust.“ Ihr Vater nahm einen Schluck aus seinem Weinglas und stellte es dann hart auf den Tisch zurück. „Merk dir, ich bin strikt dagegen“, wiederholte er nun schon beinahe störrisch.
„Ich bin alt genug, um beruflich meinen eigenen Weg zu gehen.“
„Beruflich?“ Er lachte spöttisch auf. „Was für einen Beruf meinst du? Du bist Verkäuferin, nicht mehr und nicht weniger.“
„Genau!“, fiel ihre Mutter ein. Sie kam mit dem Kaffee aus der Küche und hatte die letzten Worte gehört, „du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass einer wie der sich länger mit dir abgibt, als bis er dich rumgekriegt hat.“
Ella fühlte, wie ihr die Röte heiß ins Gesicht schoss und sie presste die Lippen aufeinander. In dieser Situation zuzugeben, dass er sie schon 'rumgekriegt' hatte, würde alles nur noch viel schlimmer machen.
„Doch, das glaube ich“, widersprach sie ruhig.
„Quatsch! Solche Männer wollen von Mädchen wie dir doch nur das Eine.“
„Nicht Marco“, verteidigte sie ihn vehement, „er will eine ernsthafte Beziehung mit mir und er will sich scheiden lassen.“
„Was?!!“, ihre Mutter schrie auf und Ella hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Was für ein fataler Fehler, seine Ehe zu erwähnen! „Verheiratet ist er auch noch? Du lässt dich mit einem verheirateten Mann ein, willst dafür deine Familie im Stich lassen und glaubst wirklich, dass er sich für dich scheiden lässt? Für dich ? Was bildest du dir eigentlich ein?“
Ella schluckte. Mit gesenktem Kopf versuchte sie, die Tränen zurückzudrängen, die sich bei den letzten, bissigen Worten ihrer Mutter unweigerlich in ihre Augen gestohlen hatten. Es gelang ihr nur mit großer Mühe, sie wieder wegzublinzeln.
„Lass gut sein, sie wird sich nicht trauen, diesen Grillen nachzugeben, das wagt sie nicht!“, grollte ihr Vater nun wieder.
„Ich bin zweiunddreißig Jahre alt, Vater.“ Die förmliche Anrede schien ihm nicht aufzufallen. „Und ich sage es dir jetzt noch einmal: ich brauche deine Erlaubnis nicht, um etwas zu tun oder zu unterlassen. Ich werde mein eigenes Geld verdienen und ich werde auch weiterhin meine Miete bezahlen. Und ich werde dieses Angebot annehmen.“
Ein paar Momente lang herrschte beklemmendes Schweigen. Dann räusperte Pietro Ballarin sich mehrmals und stand schließlich auf.
„In diesem Fall brauchst du auch nicht zu warten, bis ich jemanden gefunden habe. Ab morgen wird dich deine Mutter vertreten, kein Problem.“ Er warf ihr einen eisigen Blick zu. „Aber eins merke dir: komm mir nicht hier angekrochen, wenn du mit deinem tollen Professor auf die Nase fällst. Dann kannst du die Suppe wirklich und wahrhaftig alleine auslöffeln, die du dir da unbedingt einbrocken willst.“
Damit drehte er sich um, ging nach nebenan ins Wohnzimmer, setzte sich auf die Couch und stellte demonstrativ den Fernseher an.
Ella verstand.
Das Gespräch, die Situation, das Thema – für ihren Vater war es damit beendet. Mit Mühe schluckte sie eine scharfe, patzige Antwort hinunter.
Warum nur musste ausgerechnet ihr Vater ein so hartherziger, verständnisloser Sturkopf sein! Sie war seine einzige Tochter, hatte keine Geschwister und ihre Tante Antonella war die einzige, nähere Verwandte ihres Vaters. Und doch schien ihn das alles nicht zu kümmern. Er hatte seine Vorstellungen davon, wie sie zu funktionieren hatte und davon rückte er keinen Millimeter ab. Und bisher hatte ihm Ella noch nie Anlass gegeben, seine Krallen auszufahren.
Sie wandte sich ab und hatte das Gefühl, an ihrer Wut fast zu ersticken. Ihre Mutter spülte so konzentriert das Geschirr, als hinge ihr Leben davon ab. Sie würdigte Ella keines Blickes.
„Mamma“, begann sie schließlich, doch als sie sah, wie ihre Mutter die Mundwinkel nach unten zog,
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