Margaret Mitchell
letzten, und dann mußt du mit uns zu Tisch
gehen, wir setzen uns auf den Treppenabsatz wie auf dem letzten Ball, und Mammy
Jincy muß wieder kommen und uns wahrsagen.«
»Mammy
Jincys Wahrsagungen mag ich aber nicht, sie prophezeite mir einen Mann mit
kohlschwarzem Haar und langem, schwarzem Schnurrbart, und ich mag keine
schwarzen Männer.«
»Aber
rothaarige, was?« grinste Brent. »Komm, versprich uns sämtliche Walzer und das
große Abendessen.«
»Wenn du
sie uns versprichst, sagen wir dir ein Geheimnis«, sagte Stuart.
»Was?«
Scarlett horchte auf wie ein kleines Kind.
»Meinst
du, was wir gestern in Atlanta gehört haben, Stu? Aber wir haben versprochen,
es nicht zu erzählen.«
»Nun ja,
aber Miß Pitty hat es uns doch auch gesagt.«
»Miß wer?«
»Ashley
Wilkes' Cousine, die in Atlanta lebt, Miß Pittypat Hamilton, Charles und
Melanie Hamiltons Tante.«
»Ich weiß
schon, die albernste alte Dame, die ich in meinem Leben gesehen habe.«
»Als wir
gestern in Atlanta waren und auf den Zug warteten, fuhr sie am Bahnhof vorbei,
ließ halten und sprach mit uns. Sie hat uns erzählt, daß morgen abend auf dem
Ball bei Wilkes eine Verlobung verkündet werden soll.«
»Ach, das
weiß ich längst«, sagte Scarlett enttäuscht »Ihr langweiliger Neffe, dieser
Charley Hamilton, und Honey Wilkes; seit Jahren weiß das jedermann, wenn er die
Sache auch etwas lau betrieben hat.«
»Findest
du ihn denn langweilig?« wollte Brent wissen, »Weihnachten hast du ihn
reichlich um dich herumschwänzeln lassen.«
»Was soll
ich machen, wenn er schwänzelt«, Scarlett zuckte gleichgültig die Achseln. »Ich
finde, er ist ein richtiger Waschlappen.«
Ȇbrigens
soll gar nicht seine Verlobung verkündet werden«, triumphierte Stuart, »sondern
Ashleys mit Charlies Schwester, Miß Melanie!«
In
Scarletts Gesicht veränderte sich nichts, nur ihre Lippen wurden weiß wie bei
jemandem, der unvorbereitet einen betäubenden Schlag empfängt und im ersten
Augenblick des Schreckens nicht faßt, was ihm geschieht.
Sie sah
Stuart so groß und still an, daß er sie einfach für überrascht und interessiert
hielt und sich nichts dabei dachte. Ein Seelenkenner war er nie gewesen.
»Miß Pitty
sagte, sie hätten gar nicht die Absicht gehabt, es dieses Jahr noch zu
veröffentlichen, denn es sei Miß Melly nicht besonders gut gegangen. Aber bei
all den Kriegsgerüchten seien beide Familien für baldige Heirat gewesen, darum
soll es morgen abend verkündet werden. Also, nun haben wir dir das Geheimnis
gesagt, und du mußt uns versprechen, mit uns zu Tisch zu gehen.«
»Natürlich«,
antwortete Scarlett mechanisch.
»Und auch
alle Walzer?«
»Alle.«
»Süß von
dir! Paß auf, die anderen gehen in die Luft! Wetten?«
»Laß sie«,
sagte Brent, »wir beide werden schon mit ihnen fertig. Hör mal, Scarlett, laß
uns auch mittags beim Gartenessen zusammen sitzen.«
»Was
meinst du?« Stuart wiederholte seine Bitte.
»Natürlich.«
Die
Zwillinge sahen einander selig, aber doch einigermaßen überrascht an. Obwohl
sie sich als Scarletts begünstigte Verehrer betrachteten, hatten sie doch noch
nie zuvor ihre Auszeichnungen so mühelos gewonnen. Gewöhnlich ließ sie sie
betteln und flehen, hielt sie hin, sagte weder ja noch nein, lachte, wenn sie
grollten, und wurde kühl, wenn sie sich erhitzten. Und nun hatte sie ihnen so
gut wie den ganzen morgigen Tag versprochen. Den Platz an ihrer Seite beim
Essen, jeden Walzer - und sie wollten schon dafür sorgen, daß jeder Tanz ein
Walzer wurde. Das wog schon ihre Entfernung von der Universität auf.
Der Erfolg
gab ihnen neuen Mut, sie blieben immer noch ein Weilchen, sprachen von dem
Gartenfest und dem Ball, von Ashley Wilkes und Melanie Hamilton, fielen
einander ins Wort, rissen Witze und lachten darüber und machten immer neue
Anspielungen auf eine Einladung zum Abendessen. So verging die Zeit, und erst
allmählich fiel Scarletts Schweigsamkeit ihnen auf. Die Stimmung hatte sich
geändert; wie das gekommen war, wußten die Zwillinge nicht, aber der feine
Glanz dieses Nachmittags war dahin. Scarlett achtete nicht auf das, was sie
sagten, wenn sie auch richtige Antworten gab. Etwas war da, das sie nicht
begriffen. Das war ihnen unbehaglich, sie schleppten die Unterhaltung noch eine
Weile fort, dann standen sie auf und sahen nach der Uhr.
Die Sonne
stand niedrig über den frisch gepflügten Feldern, jenseits des Flusses
verdämmerten die schwarzen Umrisse des hohen Waldes.
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