Margos Spuren
sehr ängstlicher Mensch, Q.«
»Versprich mir bitte einfach, dass wir keinen Ärger kriegen«, beharrte ich. »Ich meine, es ist okay, wenn es nur Spaß ist, aber nicht auf Kosten meiner Zukunft oder so was.«
Sie sah zu mir auf, das Gesicht inzwischen weitgehend sauber, und lächelte ein winziges Lächeln. »Ich finde es erstaunlich, dass der ganze Mist dir tatsächlich so wichtig ist.«
»Wie bitte?«
»Das College : ob sie dich nehmen oder nicht. Ärger : ob du welchen kriegst oder nicht. Schule : gute oder schlechte Noten. Karriere : machen oder nicht machen. Haus : groß oder klein, mieten oder kaufen. Geld : haben oder nicht haben. Das ist doch alles so langweilig.«
Ich wollte darauf antworten, nämlich dass ihr offensichtlich auch irgendwas daran lag, denn sie hatte gute Noten und würde im Herbst mit einem Begabten-Stipendium an die University of Florida gehen, doch sie würgte mich ab : »Wal-Mart.«
Diesmal betraten wir den Laden gemeinsam und suchten nach dem Ding, das in der Werbung »Die Kralle« hieß und mit dem man das Lenkrad eines Wagens blockieren konnte. Als wir es gefunden hatten und durch die Spielzeugabteilung schlenderten, fragte ich Margo : »Wofür brauchen wir die Kralle?«
Doch Margo schaffte es, ihren gewohnten manischen Monolog fortzusetzen, ohne meine Frage zu beantworten. »Wusstest du, dass unsere Lebenserwartung in der gesamten Menschheitsgeschichte fast immer unter dreißig Jahren lag? Man hatte vielleicht zehn Jahre als Erwachsener zu erwarten, ja? Da hat man nicht für die Rente vorgesorgt. Da hat man keine Karriere geplant. Planen gab es nicht. Keine Zeit zum Planen. Keine Zeit für die Zukunft. Erst als die Lebenserwartung angestiegen ist und die Leute immer mehr Zukunft hatten, haben sie angefangen, auch immer mehr Zeit damit zu verschwenden, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Über die Zukunft. Und inzwischen besteht das ganze Leben nur aus Zukunft. Jeden Augenblick deines Lebens lebst du für die Zukunft – du machst deinen Schulabschluss, damit du aufs College gehen kannst, damit du einen guten Job kriegst, damit du dir ein schickes Haus kaufen kannst, damit du deinen Kindern die Ausbildung finanzieren kannst, damit sie einen guten Job kriegen, damit sie sich ein schickes Haus kaufen können, damit sie ihren Kindern eine gute Ausbildung finanzieren können.«
Weil ich das Gefühl hatte, Margo schweifte nur ab, um meine Frage nicht zu beantworten, wiederholte ich sie : »Wofür brauchen wir die Kralle?«
Margo tätschelte mir sanft den Rücken. »Ich glaube, du wirst alles rechtzeitig erfahren – bevor die Nacht zu Ende ist.« Und dann, beim Bootszubehör, fand Margo ein Signalhorn. Sie nahm es aus der Schachtel, hielt es in die Luft, und ich sagte : »Nein«, und sie sagte : »Was?«, und ich sagte : »Nein, probier es nicht aus«, doch als ich bei pr – von probieren war, hatte sie längst draufgedrückt und fabrizierte einen fürchterlich lauten Hupton, der sich anhörte wie das akustische Pendant zu einem Hirnschlag, und dann sagte sie : »Entschuldige, ich habe dich nicht gehört. Was hast du gesagt?« Und als ich sagte : »Nicht dr –«, drückte sie noch einmal drauf.
Im gleichen Moment tauchte ein Wal-Mart-Verkäufer im Gang auf, der kaum älter war als wir, und sagte : »Hey, das könnt ihr nicht hier drin benutzen«, und Margo sagte mit überzeugender Ehrlichkeit : »Oh, tut mir leid, das wusste ich nicht«, und der Typ sagte : »Schon okay. Mir ist es eigentlich egal.« Und dann schien die Unterhaltung vorbei zu sein, nur dass der Typ die Augen nicht von Margo lassen konnte, was ich ihm ehrlich gesagt nicht übel nehmen konnte, weil es mir genauso ging, und dann sagte er schließlich : »Was habt ihr heute noch so vor?«
Und Margo sagte : »Nicht viel, und du?«
Und er sagte : »Um eins ist meine Schicht zu Ende und dann gehe ich in die Bar auf der Orange Street, vielleicht hast du Lust vorbeizukommen? Du müsstest nur deinen kleinen Bruder vorher nach Hause bringen; die sind da ziemlich streng mit der Ausweiskontrolle.«
Ihren was?! »Ich bin nicht ihr Bruder!«, sagte ich mit einem bösen Blick auf seine Turnschuhe.
Doch Margo log weiter. »Er ist mein Cousin «, sagte sie. Und dann stellte sie sich neben mich, legte ihre Hand auf meine Hüfte, so dass ich jeden einzelnen ihrer Finger spürte, und erklärte : »Und mein Liebhaber .«
Der Typ verdrehte die Augen und ging davon, während
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