Maria, ihm schmeckts nicht!
dies
der beste Zeitpunkt ist, unser wertbeständiges Automobil ins Gespräch zu bringen, das draußen auf dem
Parkplatz steht. Kleinschmid ändert nach einem
kurzen Rundgang um Antonios Karre seine Haltung
zum Thema Wertbeständigkeit und jammert über
den brachliegenden Gebrauchtwagenmarkt und die
schlechten Zeiten.
»Es gibt keine schlechten Zeiten, nur schlechte
Verkäufer,« wende ich ein, und Kleinschmid wünscht
mich zum Teufel. Zurück an seinem Schreibtisch
macht er sein letztes Angebot: 34 000 und Antonios
Auto. Meinem Schwiegervater verschlägt es die
Sprache. Kleinschmid lässt sich nicht lumpen und
schenkt Antonio einen Satz Fußmatten mit Merce-
des-Stern.
Toni zahlt den Wagen nicht an, er bezahlt ihn kom-
plett. In bar. In acht Wochen kann er ihn abholen,
Herr Kieinschmid verspricht, ihn persönlich zu
übergeben, was ich eher als Drohung auffasse.
Auf dem Heimweg sagt mein kleiner Schwiegerva-
ter kein Wort. Er hat den Sack nicht zu gemacht. Er hat nicht gehandelt. Er hat seinen Preis gezahlt, wie immer. Aber der Preis, den er da gezahlt hat, war
kein Geld, das Geld spielt gar keine Rolle. Der Preis, den er in Wahrheit für sein Auto bezahlt hat, ist die Demütigung durch den Mann mit den Goldknöpfen.
Ich sehe aus dem Seitenfenster und wünsche mich
in eine bessere Welt. Da tippt Antonio mich an. Ich drehe meinen Kopf nach links und sehe in sein la-chendes Gesicht. Im Getränkehalter steht ein scheuß-
licher Kaffeebecher in Golfsackform.
Dreizehn
Ich löse eine Ehekrise aus, als ich kundtue, dass ich gerne mal in den Ferien nach Griechenland fahren
würde.
»Was sollen wir denn in Griechenland?«, pikiert
sich meine Gattin, als hätte ich ihr vorgeschlagen, einen Erlebnisurlaub in einem Termitenhügel zu ma-
chen.
»Och, ich dachte bloß. Da ist es doch auch schön.
Und die Betten sollen gut sein.«
»Wo hast du denn das her?«, fragt sie mich miss-
trauisch.
»Das habe ich gelesen«, gebe ich trotzig zurück.
Also fahren wir nach Italien, mein Rücken spielt
nun einmal in unserer Ehe eine untergeordnete Rol-
le. Außerdem hat mein Schwiegervater, der Gute, in
Termoli dasselbe Haus wie vor zwei Jahren gebucht,
es hat uns allen ja sehr dort gefallen. Um Mitfahrer einzusammeln und die Oma zu besuchen – es könnte
ja das letzte Mal sein, wie Antonio in dramatischem Crescendo betont –, steuern wir zunächst mal wieder Campobasso an.
Nonna Anna ist zumindest so gut bei Gesundheit,
dass sie es beinahe schafft, mir die Wange zur Begrü-
ßung abzureißen. Marco ist inzwischen von dem
Schlangentrip etwas abgekommen und stellt uns sei-
ne neue Freundin vor, ein bildschönes Mädchen, das
auf mich allerdings nicht volljährig wirkt. Wir laden unser Gepäck bei ihm ab und gehen wieder zu Nonna Anna, weil dort gegessen wird. Es ist ein heißer Abend und über dem Tisch fliegen arme Insekten mit
verzweifeltem Knistern in ein Mückenkrematorium.
Der Fernseher läuft, denn gleich kommt La Spe-
ranza und Nonna darf keinesfalls versäumen, wie der brutale Gutsbesitzer den Landvermesser zur
Rede stellt, weil dieser seiner Tochter in ungebührlicher Weise nachsteigt. Vor diesem Schocker kommen
aber zunächst die Nachrichten, die hier niemanden
vom Stuhl hauen. Interessanterweise lässt meine Fa-
milie die Weltpolitik total kalt. Egidios Kommentar zu den im Fernsehen ausgestrahlten Bemühungen
von Jacques Chirac um eine erfolgreiche französische Außenpolitik besteht aus genau zwei Wörtern:
»Schicke Krawatte.«
Man kann diesen Umgang mit den Nachrichten
auch ignorant nennen, doch das trifft es nur zum
Teil, denn die regionale Berichterstattung wird leidenschaftlich verfolgt, etwa wenn die Ergebnisse
eines neapolitanischen Pizzateigkunstvolldurchdie-
gegendwirbelwettbewerbes bekannt gegeben werden.
Aber auch Lokalpolitisches erregt die Marcipanes
mitunter aufs heftigste. Die Gegend ist in letzter Zeit von Erdbeben und Überschwemmungen heimgesucht
worden und wie so oft haben sich die Behörden beim
Katastrophenmanagement nicht mit Ruhm bekle-
ckert. Als in einem Nachbarort von Campobasso
zwei Dutzend Kinder unter dem Schutt ihrer Schule
begraben wurden, konnten die eingesetzten Bagger
und Räumgeräte nicht rechtzeitig am Unfallort sein, weil sie auf halber Strecke stehen blieben. Jemand
hatte den Diesel aus den Tanks geklaut. Solche
schlimmen Unzulänglichkeiten lassen die Italiener
an ihrer eigenen Wesensart verzweifeln. Nun soll der
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