Maria, ihm schmeckts nicht!
Antonio listig und
wirft mir einen Blick zu. Ogott, das geht ja gut los.
Ich ahne, dass das hier eine längere Veranstaltung
wird. Kleinschmid denkt dasselbe und setzt sich
widerwillig in Bewegung.
Er steuert ein Auto aus dem oberen Preisbereich
an, dem so genannten Premiumsegment, und stellt
sich davor, als sei er Museumswächter im Louvre
und das Auto die Mona Lisa.
»Fangen wir mal oben an. Oder ist der hier zu weit
oben? Runterkochen können wir es immer noch, das
ist ja das Schöne.«
»I bin eine Stammkunde. Fahre immer Merce-
des ... «. Antonio versucht ein Gespräch.
»Wir haben ja viele italienische Kunden«, unter-
bricht ihn Kleinschmid mit gespielter Leutseligkeit.
»So Pizzabäcker der ersten Stunde, die ja doch heute alle sehr wohlhabend sind. Und dann natürlich die
ganzen Schlosser mit Mutti. Als Italiener will man ja auch irgendwann nicht mehr FIAT fahren.« Antonio
müsste jetzt eigentlich den Wagenheber aus seinem
Benz holen und dem Kerl damit die Knie brechen.
»Ha, nee, Fiat, bin i nie gefahren«, wehrt Antonio
ab, »fahre seit lange Jahre nur Mercedes.«
»Da haben Sie Recht. Ich sage immer, Fiat ist die
Abkürzung für ›Fehler in allen Teilen‹.« Kleinschmid lacht, Antonio nicht.
»Aber vielleicht heißt es auch: ›Für Italiener aus-
reichende Technik‹.« Hahaha! Was für eine Betriebs-
nudel.
»Sie haben eine kleine Satire gemacht, Sie sin lus-
tig«, sagt Antonio mit dem ernstesten Gesichtsaus-
druck, den man sich vorstellen kann. Er will mit diesem Menschen klar kommen. Er muss es. Oder einen
Fiat kaufen. Also beißt er die Zähne zusammen. Was
für ein tapferer kleiner Mann.
»Also: ich denke, wir sehen uns in der Mittelklasse um«, sagt Kleinschmid und klatscht leise in die
Hände. Er geht voraus, dahinter Antonio und dann
ich. Kleinschmid weiß, dass er nun ein Geschäft ma-
chen wird. Er kennt ja die Gastarbeiter und deren
Streben nach Anerkennung. Dieses willfährige Zu-
stimmen, dieses sich fügen in dreiste Kreditverträge.
Es ist ein Gefecht ohne Kampfansage: Antonio will,
dass Kleinschmid ihn respektiert. Und Kleinschmid
will, dass Antonio ihm sein Geld gibt. Letztlich wird Kleinschmid gewinnen. Aber dafür muss er wenigstens arbeiten und erklären, Türen öffnen, die Antonio zuschlägt, Motorhauben anheben, Kofferräume ent-riegeln und Fragen beantworten.
»Hat der Klimaluft?«, will Antonio wissen. Und:
»Sage Sie, wie viele Persone passen in der Koffer-
raum? War nur ein Scherz. Habe eine kleine Satire
gemacht! Bin i lustig?«
Wir begutachten ein Kombimodell, denn die Ita-
liener haben ja viel zu transportieren, wenn es in die Heimat geht, nicht wahr? Antonio ist zum ersten Mal leicht beleidigt.
»Glaube Sie, dassi das muss?«
Dann lässt sich Antonio nur so zum Spaß in ein
gelbes Cabrio einsargen.
»Wie seh’ i aus, seh i gut aus?«
Kleinschmid ist begeistert, allerdings kommt der
Wagen dann doch nicht in Frage, weil ich beharrlich auf meinen Schwiegervater einrede, dass in diesem
Auto seine grauen Felle einfach nicht wirken. Antonio braucht also definitiv eine Limousine, schon wegen
der Schonbezüge. Außerdem kann man da leichter
ein- und aussteigen. Er ist über die Maßen glücklich, als wir ein Modell finden, das sowohl ein Dach als
auch vier Türen aufweist. Erstaunlicherweise ist es trotz dieser erheblichen Vorzüge auch noch viel günstiger im Preis als das Cabrio.
Dann die Farbe. Moosgrün findet Antonio toll.
Oder Aubergine. Gibt’s aber nicht, also wählt er tan-sanitblau. Auch schön, oder? Ich nicke. Antonio legt großen Wert auf meine Meinung, denn schließlich
wird es das letzte Auto sein, das er sich in diesem Leben kauft. Und davon soll ich auch noch etwas
haben.
Kleinschmid hackt alle Wünsche in seinen Rech-
ner und trinkt dabei Kaffee aus einem Gefäß, das einem Golfsack nachgeformt wurde. Wir bekommen
keinen Kaffee. Bei der Sonderausstattung bleibt An-
tonio sparsam, freut sich aber über den Getränkehalter und das Schiebedach.
»Das wäre alles? Gut, dann sind wir bei 39 503
Euro und 80 Cent, die wir jetzt mal vernachlässigen.«
Kleinschmid haut auf die Enter-Taste und druckt das Angebot aus. Zeit zum Handeln, finde ich.
»Iste viel Geld für ein alten Mann.« sagt Antonio.
»Ja, sicher, aber das Fahrzeug ist ja sehr wertbe-
ständig. Den können Sie ja immer gut wieder ver-
kaufen, wenn Sie mal müssen, was keiner hofft.«
Nun mische ich mich ein, denn ich finde, dass
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