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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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Gebräuche, scherzt aber darüber mit Ernst. Doch er unterbricht dabei nicht für eine Sekunde das stetige Wässern seines Takouba. Das stetige leise Gemurmel von Alembuschs begleitenden Worten klingt geheimnisvoll, doch Bene hat keine Ahnung, wie Miriam ein Schwert mit magischen Zeichen helfen soll, das in einer Scheune gewaschen wird. Aber auch der Junge trägt seinen Teil bei. Leise wiederholt Bene immer wieder aufs Neue seine Bitte an die Eltern, dass Miriam noch eine Weile auf der Erde bleiben darf.
    Auch Miriam wünscht sich etwas. Gebeutelt von starken Wehen, sind ihre Gedanken weit weg von dem Mann im Lendenschurz, der, an sein Kreuz geschlagen, mitfühlend auf das herunterblickt, was sich in dem Bett gegenüber aufbäumt. Sie wünscht sich, dass endlich die Hebamme kommt. Getragen von den Wogen eines Atems, der nicht mehr ihrer zu sein scheint, fühlt Miriam sich ihren stetig wiederkehrenden Schmerzen jetzt scheußlich ausgeliefert. In der Geburtsvorbereitung hatte sie gedacht, dass sie diejenige sein würde, die das Ganze steuert. Aber jetzt fühlt sie sich Energien ausgesetzt, die ihr völlig fremd sind. Magdalenas Assistentin, eine junge Frau mit hennabemalten Händen, flößt ihr erneut von dem bitteren Kräutertrank ein, der Brechreiz auslöst und Miriam alles doppelt sehen lässt. Die Schmerzen werden leichter, aber ihr wird unerträglich heiß, und eine unbekannte Macht zieht sie weg von dem verschneiten Einödhof in den dämmerigen Bergen. Wie durch eine Art Tunnel wird sie durch den fremden Bittertrank in eine völlig andere Wirklichkeit gesaugt.
    Miriam besteigt unter einer sengenden Mittagssonne eine Sanddüne in der Wüste. Glühend sind die feinen gelben Körner, in die sie mit jedem Schritt ihrer bloßen Füße tiefer und tiefer einsinkt. Ihr Mund ist trocken. Das gleißende Licht über ihr ist so grell, dass sie ihre Augen immer wieder schließen muss, um nicht zu erblinden. Ihr ist, als würde sie rückwärts statt vorwärts gehen, während der Gipfel der Düne immer an der gleichen Stelle bleibt. Die riesige Sanddüne ist so hoch wie ein Berg und die höchste einer Reihe von Erhebungen, die sich links von Miriam bis ins Unendliche zu erstrecken scheinen. Sie muss in der Sahara sein. Auf der rechten Seite entdeckt sie karstige Felsen, in denen weiter oben einige schattige Höhlen zu sehen sind. Miriam kann sich nicht erinnern, wie sie hierhergekommen ist, und sieht verwirrt an den fremden blauen Gewändern herunter, die bis auf den Boden gehen. Sie trägt einen enormen Bauch vor sich her und erinnert sich mit einem Mal schlagartig daran, dass ihr Stamm sie ausgesetzt hat. Die Männer ihres Volkes haben sie hergebracht, damit sie aus eigener Kraft gebärt oder mit ihrem Kind stirbt, weil Miriam niemanden mehr hat, der sie beschützt, weder Eltern noch Geschwister, noch einen Mann. Die Sitten ihres Wüstenstammes sind hart. Das bittere Kraut unter ihrer Zunge soll die Geburt beschleunigen, damit Miriam nicht an Entkräftung und Wassermangel sterben muss. Eine der Frauen, die verstohlen Mitleid mit ihr zeigte, hatte es ihr heimlich in den Mund gesteckt, als man sie aus ihrem Zelt gezerrt hat, um ihre Schreie im Dorf nicht zu hören. So verlangt es das Gesetz. Sollte Miriam es schaffen, zum Stamm zurückzufinden, mit oder ohne Kind, wird sie wieder aufgenommen werden. Erschöpft hält sie im Gehen inne und sieht in die Ferne zu den unerreichbaren Höhlen. Natürlich gibt es einen Mann, den sie liebt. Er war nicht da, als man sie fortbrachte. Miriam kneift ihre Augen zusammen. Am Dünenrand auf dem Weg zu den Höhlen steht die Silhouette eines Reiters auf einem Kamel. Nein, sie täuscht sich nicht. Noch funktionieren ihre Sinne. Mit einem Mal packt Miriam ein unglaublicher Zorn. Sie weiß, dass er es ist. Er ist zu feige, um sich mit dem Stamm anzulegen, indem er ihr hilft. Lieber lässt er sie mit dem Kind sterben. In ihrem Delirium nicht mehr wissend, ob sie in der Wüste oder in der Einöde im Schnee ist, öffnet Miriam ihren ausgedörrten Mund in einem Anflug verzweifelter Panik und schreit, dass man es bis in die letzte Ecke der Scheune hören kann, Joes Namen.
    Joe schreckt aus seinen Gedanken an Rosemarie auf, so als hätte ein Peitschenhieb ihn getroffen. Es muss so um die fünf Uhr nachmittags sein, schätzt er, denn es ist bereits ziemlich dunkel. Zusätzlich zu den dichten Flocken drückt der Nebel nach unten ins Tal. Joe stolpert weiter und weiter, bis die Musik der Matthäuspassion

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