Mariana: Roman (German Edition)
ertappte, wie ich die Häufigkeit meiner Ausflüge in die Vergangenheit erhöhte. Was als wöchentliches Ritual begonnen hatte, wurde zu einem täglichen, und als die letzte Juliwoche herangekommen war, verbrachte ich jeden Morgen zwei bis drei Stunden im siebzehnten Jahrhundert.
Ich erklärte meine morgendliche Zurückgezogenheit, indem ich allen erzählte, daß ich an meinen Zeichnungen arbeitete, aber es schien sowieso niemandem etwas aufzufallen. Geoff stand selten eher als eine Stunde vor Mittag auf – seine Entschuldigung war, daß er nachts lange aufblieb und las –, während Tom ungewöhnlich viel mit seiner Gemeinde zu tun hatte und Iain sich so hingebungsvoll seiner Arbeit widmete, daß ich ihn kaum zu Gesicht bekam. Auch Vivien verschwand neuerdings an einigen Vormittagen, und niemand wußte genau, wohin sie ging. Manchmal erstreckte sich ihre Abwesenheit auf den Nachmittag, und als Geoff und ich am letzten Samstag im Juli im Löwen einkehrten, fanden wir Ned vor, der die Bar allein bediente.
»Hat keinen Zweck, mich zu fragen«, sagte er, als er unsere Gläser mit mürrischer Miene vollzapfte, »ich hab keine Ahnung, wo sie steckt. Mir sagt ja nie jemand was.« Er wandte sich wieder seiner Zeitung zu, und da am Tresen offenbar nichts weiter zu erfahren war, zogen Geoff und ich uns an einen Tisch am Fenster zurück.
Jerry Walsh hatte nichts von der schweigsamen Art seines Sohnes. Er begrüßte mich fröhlich von dem gut besetzten Ecktisch her. »Hallo, Schätzchen! Wie steht’s denn so in letzter Zeit?« fragte er mich mit vom Alkohol geölter Stimme.
Ich lächelte ihm zu und versicherte ihm, daß es eigentlich ziemlich gut stünde.
»Sie haben sich mit diesem Hallodri zusammengetan, stimmt’s?« Er wies mit dem Daumen auf Geoff und schüttelte seinen Kopf in gespieltem Mitleid: »Sie müssen aufpassen, Mädchen, er ist ein echter Herzensbrecher.«
Geoff grinste. »Paß du lieber auf, was du sagst, Jerry«, warnte er den älteren Mann gutmütig, »oder ich erzähl dem Mädchen ein paar von den Geschichten, die ich über dich gehört habe.«
»Dann sind wir quitt«, sagte Jerry. Er zwinkerte mir auffällig zu und drehte sich wieder zu seinen übermütigen Tischgenossen um, von denen einige interessiert in unsere Richtung spähten, als sie ihre Gläser hoben, und zweifellos Überlegungen über die Ausschlachtbarkeit dieser neuesten Klatschepisode anstellten. »Ich habe heute den jungen de Mornay mit diesem Künstlermädchen im Pub gesehen …« – so würde an diesem Nachmittag manche Unterhaltung beim Tee zu Hause beginnen, wettete ich.
»Also«, sagte ich zu Geoff, um unser Gespräch fortzusetzen, das wir auf dem Weg zum Pub begonnen hatten, »du wirst im September wieder nach Frankreich fahren.«
»Für sechs Wochen«, nickte er. »Ein paar davon werden leider mit Geschäften in unserem Büro in Paris ausgefüllt sein, aber dann geht’s hinunter nach Antibes und zu meinem Boot. Und meine Mutter ist wahrscheinlich in Spanien im September, jedenfalls sagt sie das. Vielleicht mache ich einen Abstecher dorthin und besuche sie für ein paar Tage. Ich weiß es noch nicht.« In den Monaten, die ich ihn nun kannte, hatte er seine Mutter noch nicht oft erwähnt.
»Hat sie denn ein Haus in Spanien?« bohrte ich in meinem bestmöglich unbeteiligten Tonfall nach.
»Nein.« Geoff schüttelte den Kopf. »Sie lebt dieser Tage meistens in Italien. Aber sie erwähnte Spanien, als sie das letzte Mal anrief -ich glaube, sie will nach Pamplona.«
»Wo die Stierkämpfe stattfinden?«
»Ja.« Er verzog bitter den Mund. »Meistens ist es eine Qual, meine Mutter zu besuchen. Sie versucht ständig, mich mit einer der Töchter ihrer Freundinnen zu verkuppeln, damit ich endlich heirate. Sie meint es wahrscheinlich gut, aber es ist verdammt anstrengend.« Er grinste schließlich und wechselte das Thema. »Was soll ich dir Schönes mitbringen von dort?«
»Ich brauche nichts.«
»Unsinn. Also, was möchtest du haben?«
Ich dachte nach. »Naja«, antwortete ich, »du könntest mir ein Paar von diesen großen Kaffeeschalen mitbringen, die sie in Frankreich benutzen. Du weißt, diese Frühstücksschalen, in die literweise Kaffee paßt. Von denen wollte ich schon immer welche haben.«
»Gut«, versprach Geoff theatralisch, »du sollst sie haben. Wäre dir ein gerades Dutzend recht?«
Ich lachte. »Zwei wären völlig ausreichend, danke. Außerdem würden sie dich mit einem Dutzend von diesen Dingern nicht ins
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