Mariana: Roman (German Edition)
spüren.
»Es ist zu gefährlich«, lautete sein Urteil.
»Nun ja, die Entscheidung liegt nicht mehr in meiner Hand, oder?« erwiderte ich schonungslos. »Es wird geschehen, ob ich es will oder nicht.«
»Ich dachte, du könntest es kontrollieren. Du sagtest, du habest einen Weg gefunden, es zu unterdrücken, es beiseite zu schieben.«
»Das funktioniert aber nicht immer«, gestand ich. »Hör zu Tom, ich verspreche, daß ich vorsichtig sein werde. Ich werde alle Türen verschließen und die Schlüssel verstecken, wenn du möchtest. Ich bleibe im Haus. Und ich mache es nur einmal pro Woche, ich ver–«
»Nein, versprich nichts.« Er lächelte endlich. Ich konnte es hören und merkte, wie ich mich daraufhin entspannte. Als er weitersprach, klang seine Stimme weniger kompromißlos. »Mir gefällt der Gedanke nicht«, sagte er. »Ich glaube immer noch, daß du ein zu großes, Risiko eingehst. Aber wenn du vorsichtig und vernünftig bist und versuchst, die Dinge im Rahmen zu halten, schätze ich, daß ich nichts dagegen einwenden kann, oder? Ich meine, wie du schon sagst, es scheint nicht viele Alternativen zu geben.«
Jetzt war es an mir zu lächeln. »Exorzismus kommt in solchen Situationen nicht in Frage, was?«
»Nein.« Er lachte. »Aber sonst geht es dir doch gut, oder?«
»Wunderbar«, versicherte ich ihm. »Meine Arbeit geht gut voran, und bisher habe ich keine Probleme, was das Haus betrifft.«
»Du triffst dich immer noch oft mit diesem Geoff, nehme ich an?«
Ich bejahte und war dankbar, als er das Thema wieder fallenließ. Ich hatte Tom noch nichts von meinem Verdacht erzählt, daß Geoffrey Richard war. Noch hatte ich ihm von Mrs. Hutherson erzählt. Vermutlich befürchtete ich, daß ich die Bereitschaft meines Bruders, mir zu glauben, auf eine zu harte Probe stellte, wenn ich ihm sagte, daß ich mich praktisch mit einem Medium beriet und mit der Reinkarnation von Marianas Liebhaber befreundet war. Und ich hatte es bitter nötig, daß er mir glaubte.
Bis jetzt schien er das jedenfalls zu tun. »Paß gut auf dich auf« war der einzige Rat, den er mir gab, bevor ich den Hörer auflegte. Ich wollte ihn beherzigen.
Ich wählte eine günstige Stunde am Morgen, wenn nur wenige andere Leute schön wach waren. Ich schob sämtliche Möbel in meinem Atelier in eine Ecke, so daß nichts Marianas Weg von der Tür zu ihrem Bett und zum Fenster behinderte. Ich verriegelte beide Haustüren von innen und vergrub die Schlüssel unter Rechnungen und Briefen in meiner Schreibtischschublade. Erst dann ließ ich mich am Küchentisch nieder und entzündete die Kerze.
Meine erste Reise dauerte weniger als eine halbe Stunde, was nach diesen ausführlichen Vorbereitungen eine kleine Enttäuschung war. Sie war außerdem, mußte ich zugeben, todlangweilig. Fast die ganze Zeit putzte Mariana am Küchentisch Gemüse, während Caroline beim Herdfeuer das Baby John stillte. Keine der beiden Frauen sprach ein Wort. Als ich in die Gegenwart zurückkehrte, war ich total entmutigt.
Doch meine nächsten Versuche erwiesen sich als fruchtbarer. Neugierig geworden, probierte ich mein Kerzenritual im Wohnzimmer statt in der Küche aus und fand mich über einem Stickrahmen sitzend, während ich Caroline und Rachel bei der Besprechung von Hochzeitsplänen zuhörte. Es war allerdings ein eher einseitiges Gespräch. Caroline sprach mit ungewöhnlich angeregter Stimme von Blumen und Kleidern und Gästen, während Rachel sich tief über ihre Näharbeit beugte und unverständliche Antworten murmelte. Sie hielt ihre Miene vor ihrer Schwester verborgen, doch hinter dem Vorhang ihres flachsfarbenen Haares sah ihr Gesicht gerötet und gequält aus.
Das Hochzeitsfest sollte in Greywethers abgehalten werden, da das Zuhause des Bräutigams zu klein war, um alle Gäste aufzunehmen, und aus Carolines Reden schloß ich, daß das ganze Dorf eingeladen worden war. Braut und Bräutigam würden ihre erste Nacht unter dem Dach meines Onkels verbringen, bevor sie in das Haus des Sheriffs im Dorf zogen. Es war schwer, sich vorzustellen, daß Rachel mit Elias Webb in diesem engen, düsteren, kleinen Haus mit seinen dunklen Schornsteinen und freudlosen Fenstern leben sollte; noch schwerer, tanzende Hochzeitsgäste im Wohnzimmer meines Onkels vor sich zu sehen. Ich versuchte gerade, mir dieses Bild auszumalen, als die Stimme meiner Tante in meine Gedanken drang.
»… und natürlich müssen wir aus Höflichkeit Lord de Mornay einladen, wenn Jabez auch die
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