Mariana: Roman (German Edition)
es vor, nicht über die Ursache nachzudenken. Ich lächelte. »Lieber ein andermal.«
»Natürlich. Irgendwann nächstes Wochenende vielleicht, wenn ich mich selbst wieder etwas eingerichtet habe. Ich bin gerade aus dem Urlaub zurückgekommen.«
»Ich weiß. Frankreich, nicht wahr?«
Geoffrey de Mornay lächelte, ein langsam sich ausbreitendes Lächeln, das unbewußt verführerisch und ein kleines bißchen vorwurfsvoll war. »Sie sind im Roten Löwen gewesen«, sagte er. »Ja, ich habe ein Boot im Hafen von Antibes liegen. Ich fahre gern ein- bis zweimal im Jahr dort hinunter, um es zu bewegen. Tut gut, hin und wieder aus dem Regen herauszukommen.«
»Und wer kümmert sich um Crofton Hall, wenn Sie nicht da sind?«
»Ich habe furchtbar tüchtige Angestellte, die alles für mich erledigen.« Er lehnte sich im Sessel zurück und veränderte dabei die Haltung seiner breiten Schultern: »Zwei Fremdenführerinnen, eine Haushälterin, eine Teilzeitputzhilfe, einen Gärtner – wenn es die Jahreszeit erfordert – und einen Mann, der sich um die Pferde kümmert. Es ist schon ein richtiger Betrieb, wirklich.«
»Natürlich!« Ich nickte, plötzlich verstehend. »Das erklärtes.«
»Erklärt was?«
»Entschuldigung. Ich habe nur gerade ein kleines Rätsel gelöst. Ich habe öfter einen Reiter auf Ihren Feldern gesehen, einen dunklen Mann auf einem grauen Pferd. Das muß Ihr Stallbursche gewesen sein.«
»Nicht, wenn es ein graues Pferd war. Ich habe nur Braune und Füchse in meinem Stall.« Er fuhr spielerisch mit dem Daumen an der Sessellehne entlang, wie um den Bezug zu glätten, und seine Stimme klang unbefangen, als er sprach. »Sind Sie sicher, daß es ein Grauer war?«
»Pferde sind vielleicht nicht gerade meine Stärke«, beschied ich ihm, »aber mit Farben kenne ich mich aus.«
Er grinste. »Ich vergaß. Sie sind Malerin, stimmt’s? Na, ich würde mir weiter keine Gedanken darüber machen. Ich bin nicht so mittelalterlich gegenüber meinen Gebietsrechten eingestellt. Wenn jemand meinen Reitweg benutzen will, kann er das gerne tun. Wie sah er denn aus?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn nicht genau gesehen, er war zu weit weg. Er war ziemlich groß, glaube ich – obwohl das bei einem Mann im Sattel schwer zu schätzen ist, oder? Er war dunkel gekleidet, und ich bilde mir ein, daß er langes Haar hatte.«
»Klingt wie ein Junge von der Herberge. Es gibt eine Jugendherberge etwa fünf Kilometer westlich von hier«, erklärte er. »Eine ziemlich große sogar, stark von Touristen besucht. Sie verleihen dort auch manchmal Pferde.«
»Ach so.« Das war sicher eine vernünftige Erklärung. Ich leerte mein Glas Wasser, und Geoffrey de Mornay machte Anstalten aufzustehen.
»Möchten Sie noch etwas trinken?«, bot er an. »Etwas Stärkeres vielleicht?«
»Oh, nein. Mir geht es gut, wirklich.« Ich stellte das Glas auf dem Beistelltisch zu meiner Seite ab, erhob mich etwas verlegen und fuhr mir mit der Hand durch das zerzauste Haar. »Sie sind sehr nett gewesen, aber jetzt muß ich wirklich gehen. Ich habe genug von Ihrer Zeit in Anspruch genommen.«
»Nicht annähernd genug. Aber ich streite mich nie mit meinen Nachbarn.« Er stand ebenfalls auf, so daß ich das Gefühl hatte, neben ihm zusammenzuschrumpfen, und neigte galant den Kopf. »Kommen Sie, ich bringe Sie hinaus.«
Ich folgte ihm durch einen schmalen, dunklen Gang zum Seitenausgang, wo ich ihm auf der Schwelle noch einmal dankte.
»Es war mir ein Vergnügen«, versicherte er mir, lehnte sich mit einer Schulter gegen den Türrahmen und faltete die Arme über der Brust. »Eine ziemlich nette Abwechslung von meiner normalen täglichen Routine. Es kommt nicht oft vor, daß sich mir schöne, junge Damen zu Füßen werfen.«
»Ja, also«, sagte ich, und die Farbe stieg mir ins Gesicht, »es wird bestimmt nicht wieder vorkommen.«
Er lächelte zu mir hinunter, und nach einem letzten Händedruck ging ich davon. Ich hatte schon fast das Ende des sauber eingefaßten Weges erreicht, als er noch einmal sprach.
»Wie schade«, sagte er, aber ich glaube nicht, daß ich das hören sollte.
»Du solltest dich vorsehen, meine Liebe«, bemerkte mein Bruder weise, als ich ihm von meinem Zusammentreffen mit Geoffrey de Mornay erzählte. »Der Gutsherr besitzt gewisse historische Privilegien, weißt du. Darf sich die schönste Dorfjungfrau aussuchen und solche Sachen.«
»Red keinen Quatsch«, war meine Antwort.
Es war eine Woche später, am
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