Mariana: Roman (German Edition)
dort als nächstes hinkommt, werden wir schon mal zu den Küchenräumen vorgehen, wenn du nichts dagegen hast.«
Ich folgte ihm durch den langen Gang mit dem leicht abfallenden Fußboden aus Steinfliesen. »Stört es dich nicht, all diese Leute durch dein Haus trampeln zu haben?«
»Eigentlich nicht«, antwortete er achselzuckend und in freundlichem Ton. »Wie gesagt, habe ich den schönsten Teil des Hauses für mich selbst behalten, und der ist auch mein Zuhause – dort sind die Zimmer, in denen ich aufgewachsen bin. All das hier ist einfach … überflüssig, würde ich sagen. Es ist viel zu groß für eine Familie, geschweige denn für eine Person. Die meisten dieser Räume würden wahrscheinlich nie das Tageslicht sehen, wenn die Touristen nicht wären. Außerdem ist es wirklich ein bißchen riesig, findest du nicht? Ich meine, kannst du dir vorstellen, wie ich mir hierdrin schnell einen Mitternachtsimbiß zurechtmache?«
Er hielt an und wies mit der Hand auf eine Küche von wahrlich herrschaftlichen Ausmaßen, überall Ziegeleinfassungen und poliertes Kupfer und eine monströse Feuerstelle. Der Ofen aus der Jahrhundertwende sah aus, als ob zwanzig Truthähne darin braten könnten und immer noch Platz für anderes wäre.
»Ich verstehe, was du meinst«, entgegnete ich mit hochgezogenen Brauen.
Wir besichtigten in gemütlichem Tempo die Küchenräume, das Brauhaus, die Molkerei, die Speisekammern und schließlich die Spülküche, die um einen ungewöhnlichen Hausbrunnen herum gebaut worden war. Von der Spülküche aus führte eine kleine, schwere Tür auf einen quadratischen, unüberdachten Innenhof hinaus, der von drei Seiten von den Wänden des Gutshauses selbst umgeben war. Die vierte Seite des Quadrats wurde von einer hohen Mauer beschlossen, die von wucherndem Efeu überwachsen und oben mit eindrucksvollen Eisenspitzen besetzt war.
Wie ein kleiner Privatpark mitten im Haus, dachte ich. Nur daß er furchtbar verwuchert war. Man konnte an manchen Stellen den Erdboden überhaupt nicht mehr erkennen, und verschlungene Büschel von Unkraut und Wildblumen hatten den Gehweg aus Steinplatten überdeckt, der um den Innenhof führte. Ich war überrascht, daß Iain hier noch nichts unternommen hatte, und sprach den Gedanken aus.
»Eine Art geheimen Garten daraus machen, meinst du? Ich habe ihm schon einmal so etwas vorgeschlagen, aber er war nicht sehr angetan davon. Er mag diesen Hof nicht«, antwortete Geoff. »Er sagt, er wirke wie ein Grab.«
Das tat er auch, bei näherer Betrachtung. Die Luft innerhalb der Mauern war unbewegt und leblos, die Stille greifbar, und wenn auch die Sonne hell auf uns herabstrahlte, so seufzten doch die Gräser zu meinen Füßen vor Traurigkeit und Vernachlässigung.
»Aber wenn du an Gärten interessiert bist, dann komm und sieh dir dies an«, lud mich Geoff ein. Er führte mich über den Gartenpfad zurück zum Hauptflügel des Hauses und zog mich erneut in den Westkorridor. Gegenüber dem Küchenflügel führten wenige Stufen hinunter in den Wintergarten, einen wunderbar formbewußten viktorianischen Raum, dominiert von Glas und Licht und lackierten Korbmöbeln, der von Lilienduft erfüllt war.
Zum zweiten Mal zwang uns das Geräusch herannahender Schritte zu einem hastigen Rückzug. Geoff leitete mich durch einen weiteren Gang zu einer im Halbdunkel liegenden Treppe, über der der kühle Geruch feuchten Steins lag. Auf halbem Wege die Stufen hinauf legte er mir die Hand auf den Arm und zeigte auf eine Stelle zu unseren Füßen.
»Siehst du das? Das Stück Steinmetzarbeit unterhalb der Täfelung? Das stammt aus dem zwölften Jahrhundert. Aus der Zeit der Benediktinerabtei. Außer ein paar Geistern und einigen gotischen Bögen in der Westmauer ist das alles, was uns die Mönche hinterlassen haben.«
Ich beugte mich hinunter und fuhr die Meißelung mit den Fingern nach. »Sie haben dir wohl eine Menge Geister hinterlassen?«
»Oh, den einen oder anderen. Ich glaube, das sind die einzig respektablen, die ich habe. Die Geister von Crofton Hall sind sonst eine wilde Bande«, grinste er.
»Du glaubst also an sie.«
»Ich will die Möglichkeit nicht ausschließen«, erklärte er. »Denn wenn ein Dutzend oder mehr Menschen, die einander nicht kennen und nichts über das Haus wissen, behaupten, dasselbe gesehen zu haben, muß wohl etwas dran sein. Sie können nicht alle verrückt sein.«
»Und gibt es da oben auch irgendwelche Geister?« fragte ich und starrte mit offenkundiger
Weitere Kostenlose Bücher