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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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seltsamen Blick an, und ich wurde rot und senkte befangen den Kopf: »Tut mir leid«, sagte ich, »das ist nur so ein Eindruck. Es schien mir, als ob sie – wenn es eine ›sie‹ war – etwas durch dieses Fenster gesehen hat. Etwas dort draußen  …« Ich deutete mit dem Kinn auf die glatte, ebene Fläche frischen Grüns, die sich unter uns erstreckte, bis sie auf die Kirchhofsmauer mit ihren überhängenden Bäumen stieß. Alles wirkte unberührt, still und unschuldig – selbst die Schatten lagen ruhig und unbeweglich auf dem Gras. »Sie hat etwas Furchtbares gesehen. Etwas, das ihr das Herz brach. Und das hat seine Spur hinterlassen, hier in diesem Raum.«
    »Möglich ist es, vermute ich.« Geoff sah mich immer noch befremdet an, mit dieser merkwürdigen Mischung aus Besorgnis und Vorsicht. »Hör mal, vielleicht sollten wir die Führung an einem anderen Tag beenden.«
    »Aber nein, mir geht es gut«, versicherte ich ihm nochmals und lächelte zu ihm hinauf. Diesmal war es ein echtes Lächeln. Es wäre dumm von mir gewesen, mir von einem kleinen Zwischenfall den Tag verdüstern zu lassen. »Was steht als nächstes auf dem Programm?«
    »Die Bibliothek«, antwortete er, sichtlich entspannter. »Oder ist dir das zu langweilig?«
    »Überhaupt nicht. Ich liebe Bibliotheken. Ich werde aber wahrscheinlich ein paar von deinen Büchern stehlen wollen, sei also vorgewarnt. Du hast nicht zufällig einige Erstausgaben von Dickens, oder?«
    »Nicht von Dickens , nein«, grinste er.
    »Oh Gott«, ich verdrehte die Augen, »ich hab’s gewußt. Es wird eine dieser ekelhaft wunderbaren Sammlungen seltener Werke sein, alle handgebunden in farblich passendem Leder, stimmt’s?«
    »So ähnlich«, sagte er und lachte bei meinem Aufstöhnen, »aber wenn es dich tröstet, kann ich dir verraten, daß ich die wirklich seltenen und wertvollen Bände hinüber in meinen Flügel geschafft habe. Ich kann sie schlecht den Touristen anvertrauen, oder?«
    »Das ist das einzige, was ich den Reichen mißgönne«, bemerkte ich, als ich ihm über die feucht riechende Treppe nach unten in das Erdgeschoß folgte.
    »Und was ist das?«
    »Daß sie sich Bücher kaufen können, die wir Normalsterblichen niemals hoffen können zu besitzen.«
    Geoff grinste voll Verständnis. »Also, wenn du dir welche von meinen ausleihen willst, laß es mich einfach wissen.«
    Ich seufzte. »Das ist nicht dasselbe.«
    Wir hatten in dem breiten, vorderen Korridor angehalten, die große Halle im Rücken, und meine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt, als Geoff die Tür aufstieß, um den Blick auf deckenhohe Mahagoniregale voll mit Büchern aller Umfänge und Formate und jeglichen Alters freizugeben. Die Regale bedeckten alle vier Wände des fast quadratischen Raumes, an drei Stellen unterbrochen von hohen, schmalen Fenstern mit Buntglaseinsätzen, unter denen sich gepolsterte Sitzbänke und eine großzügige Auswahl von Kissen befanden – genau die Sorte von Fenstersitzen, von denen jeder Bücherliebhaber träumt, die er sich vorstellt, nach denen es ihn verlangt …
    Ich trat in den Raum, stumm vor Bewunderung, und sog den kräftigen Duft von eingeölten Ledereinbänden, altem Papier und poliertem Holz ein.
    »Wie absolut wunderbar«, sagte ich.
    »Ja«, stimmte Geoff zu. »Du mußt meinem Vater dafür danken. Er liebte Bücher – verbrachte sein ganzes Leben damit, sie zu sammeln und restaurieren zu lassen. Die ursprüngliche Bibliothek des Hauses war ein vollgestopfter, kleiner Raum, der vom Südkorridor abging, nahe der alten Küche. War meinem Väter zu klein. Er hat diesen hier, angefangen bei den Wänden, neu gestalten lassen, weißt du. Die früheren Besitzer benutzten ihn als eine Art Spielzimmer – für Billard und so weiter –, und davor war er, glaube ich, nur ein großer Abstellraum. Mein Vater fand ihn perfekt geeignet als Bibliothek.«
    »Er hatte recht. Wo hat er nur diese Regale aufgetrieben?«
    »In einem Landhaus in West Sussex. Es sollte abgerissen werden, und die Eigentümer erklärten sich bereit, Vater die Regalwände für ein bescheidenes Vermögen zu überlassen.«
    »Sie sind jeden Pfennig wert«, rechtfertigte ich den Kauf seines Vaters. »Sie sind einfach unglaublich schön. Das einzige, was fehlt, ist die Leiter an der Messingschiene.«
    »Ha«, lachte Geoff, »da hast du nicht genau genug hingesehen.« Er zeigte auf die entfernteste Ecke des Raums. »Wenn mein Vater etwas machte, dann richtig, und zwar bis ins kleinste

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