Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
Vom Netzwerk:
Neugier die Treppe hinauf.
    Geoff lachte. »Mehr als genug. Die Schlafräume sind oben, weißt du, und Geister scheinen eine Vorliebe für Schlafzimmer zu haben. Meine Geister jedenfalls. Einer besonders – nicht so sehr ein richtiger Geist, eher ein Gefühl – scheint sich bei vielen Leuten bemerkbar zu machen … aber ich lasse dich das lieber selbst herausfinden.«
    »Oh, vielen herzlichen Dank«, entgegnete ich trocken. »Es handelt sich nicht zufällig um die Axtmördersorte von Geist, oder?«
    »Nein, nichts dergleichen.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Es ist sehr schwer zu erklären, vor allem, da ich es selbst nie gefühlt habe. Hier ist es«, er hielt auf der obersten Stufe an, um eine massive Eichentür aufzustoßen. »Nach dir.«
    Die Zimmer im ersten Stock waren wunderschön und mit viel Sinn fürs Detail reich möbliert. Üppig bestickte Vorhänge und Überwürfe ließen die schweren Himmelbetten noch prunkvoller und luxuriöser aussehen, wie kleine Zimmer in sich selbst, und die viereinhalb Meter hohen Decken gaben mir zusätzlich das Gefühl, sehr klein und plebejisch zu sein.
    Besonders gefiel mir das riesige König-Karl-Schlafzimmer, in dem der unglückliche König angeblich einige Nächte verbracht hatte, während er seine Truppen gegen Cromwell zusammenstellte. Das Schlafzimmer befand sich direkt über der großen Empfangshalle und hatte dieselben ausladenden Proportionen und eine wunderschöne Decke mit geschwungenen, rippenartigen Stuckverzierungen, die dem Raum eine beinahe kontinentale Anmut verliehen.
    »Und das ist das Kavalier-Schlafzimmer«, sprach Geoff weiter und führte mich durch die letzte Tür. »Früher war es das ›Karmesinrote Schlafzimmer‹, aber ›Kavalier‹ klingt viel romantischer für die Touristenbroschüren und paßt besser zum König-Karl-Schlafzimmer nebenan.«
    Der ursprüngliche Name war jedenfalls der naheliegendere, entschied ich, als ich meinen Blick über die verblichenen, mit rotem Stoff bezogenen Wände und das tiefere Karminrot der schweren Draperien schweifen ließ, die vor dem imposanten jakobinischen Bett hingen. Und dann spürte ich die Kälte.
    Geoff fuhr mit seiner Erzählung fort, aber ich hörte nicht länger zu. Eine Kraft, eine unwiderstehliche, unerklärliche Kraft zog mich zu dem einzigen Fenster im Raum, einem riesigen, durch einen Mittelpfosten und mehrere Quersprossen geteilten Fenster, durch das man auf den ausgedehnten Rasen vor dem Haupteingang und auf den ummauerten Friedhof sah.
    Er hörte auf zu sprechen, beobachtete mich und sagte dann so etwas wie »Du spürst es also auch«, und mein Körper wurde auf einmal von einer Flutwelle machtvoller Gefühle erfaßt, über die ich keine Kontrolle hatte. Zuerst empfand ich Sehnsucht, eine so tiefe und wehmütige Sehnsucht, daß es mir in der Seele weh tat, und dann kam eine Art fieberhaften Betens, eine verzweifelte Litanei, die in meinem panischen Bewußtsein herumraste, und schließlich ein schmerzlicher Kummer, so tief wie ein tödlicher Messerstich. Ich sank gegen den Fensterrahmen, meine Augen voll plötzlicher Tränen.
    »Ist alles in Ordnung?« Geoff umfaßte meine Schulter mit warmer, starker Hand, seine Stimme klang besorgt.
    Ich blinzelte die Tränen weg und zeigte ein beschwichtigendes Lächeln, das nur ein klein wenig zitterte. »Alles in Ordnung«, sagte ich. »Das ist also der Geist, ja?«
    »Ja. Hör zu, es tut mir wirklich leid.« Er sah mit ernster Miene auf mich nieder. »Ich hätte dich warnen sollen – dir sagen sollen, was du zu erwarten hast, statt so verdammt geheimnisvoll zu tun.«
    »Ist ja nichts passiert.« Ich rückte vom Fenster ab und glättete meinen Rock mit einer geistesabwesenden Handbewegung. »Wie du sagtest, es ist nur ein Gefühl … nichts weiter.«
    »Eine Art tiefer Traurigkeit, nicht wahr?«
    »Ja.« Ich unterdrückte einen Schauer der Erinnerung. »Kennst du die Ursache dafür?«
    Geoff schüttelte den dunklen Kopf, eine Falte auf der Stirn. »Nein. Es ist die Traurigkeit einer Frau, nehme ich an. Nur Frauen scheinen sie wahrnehmen zu können, und es geschieht immer an derselben Stelle – genau hier vor dem Fenster. Aber ich habe nie die Quelle dafür finden können. Nichts in der Familiengeschichte, was es erklären könnte. Niemand starb in diesem Zimmer, soweit wir wissen, oder warf sich aus dem Fenster oder Ähnliches.«
    »Ich glaube nicht, daß es in erster Linie mit dem Zimmer zusammenhängt«, sagte ich langsam. Er sah mich mit einem

Weitere Kostenlose Bücher