Mariana: Roman (German Edition)
diesem.«
Ich hob die Augenbrauen und warf einen Blick zu ihm hinüber. Entweder war er unglaublich bescheiden oder unglaublich naiv. Er war nicht einfach nur jung und wohlhabend – er sah schlichtweg umwerfend aus und war obendrein Millionär. Kein Wunder, daß die Mütter von Exbury sich für ihre Töchter ins Zeug legten.
Vom Eingang aus traten wir in einen Raum, der mich einen Moment lang sprachlos machte.
Mit exquisitem Samt behangene Wände ragten majestätisch in die Höhe, wo sie auf eine üppig gearbeitete Stuckdecke trafen, die mindestens sechs Meter über dem glänzenden Eichenfußboden und seinen unbezahlbaren persischen Teppichen schwebte. Der Raum war gestaltet worden, um zu beeindrucken, und diesen Effekt erzielte er mit einiger Leichtigkeit; aber was mich völlig für ihn einnahm, war der Kamin.
Noch nie zuvor hatte ich einen solchen Kamin gesehen, noch nicht einmal in Filmen. Er war so groß, daß zwei hochgewachsene Männer mit ausgebreiteten Armen darin stehen konnten, und aus einem wunderbaren weißen Stein gemauert. Detailliert gemeißelte Phantasiefiguren rankten sich an beiden Seiten hinauf und quer über den schweren Sims, und über dem Sims hing zur Krönung ein wunderschön gemeißeltes und bemaltes Wappen.
»Die große Empfangshalle«, sagte Geoff neben mir. »Sie ist schon etwas, nicht wahr? Das ist ein Genueser Samtbehang an der Wand, spätes elisabethanisches Zeitalter und ein ziemlich seltenes Stück, wie man mir sagte. Wir haben extra einen Restaurator kommen lassen, der ihn für uns zusammengeflickt hat – erstaunlich, daß sich das ganze Ding nicht schon vor Jahrhunderten in Fetzen aufgelöst hat.«
Ich hob unwillkürlich die Hand und ließ sie dann gleich wieder fallen. Ich wußte, daß ich ihn nicht berühren sollte. Einer meiner Nachbarn in London hatte als Führer im Britischen Museum gearbeitet und oft über die irreparablen Schäden gestöhnt, die unwissende Finger und Kamerablitzlichter anrichteten. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, sah ich mich in ehrfürchtigem, anerkennendem Schweigen um.
»Der Kamin ist natürlich absolut einzigartig«, fuhr Geoff mit seinen Erläuterungen fort. »Der weiße Stein stammt aus Compton Basset, nur wenige Kilometer von hier entfernt, und die Meißelarbeiten wurden von einem örtlichen Steinmetz ausgeführt.«
»Ist das dein Wappen darüber?«
»Ja. Das meiner Familie jedenfalls. Es wurde William de Mornay dem Jüngeren im siebzehnten Jahrhundert verliehen. Als direkter männlicher Nachkomme habe ich das Recht, es zu benutzen, wenn ich will – es auf mein Briefpapier drucken zu lassen und so etwas. Aber das kam mir immer ein wenig snobistisch vor. Außerdem gilt es da noch die Frage der Differenzierung zu bedenken.« Auf meinen verständnislosen Blick hin erklärte er: »Arthur de Mornay – das ist mein Vorfahr – war nach eigenen Angaben Williams Enkelsohn, aber ohne urkundliche Nachweise können wir nicht entscheiden, ob Arthurs Vater der Erst- oder Zweitgeborene war, oder gar der dritte oder vierte Sohn. Sie alle hätten verschiedene Zeichen auf ihre Wappen setzen müssen – Rosen und Kreuze und Halbmonde und solche Sachen – je nach Rangordnung der Geburt. ›Abstammungszeichen‹ werden sie genannt. Nur das Oberhaupt einer Familie darf das vollständige Wappen tragen.«
»Das wußte ich nicht«, gestand ich und ging näher heran, um mir das Wappenschild genauer anzusehen. »Ich fürchte, mein Wissen über Heraldik ist ein wenig eingerostet. In der Kunstschule hatte ich einen Lehrer, der für das Wappenamt arbeitete, daher habe ich ein bißchen über die Gestaltung und die Fachausdrücke gelernt …«
»Dann wollen wir doch mal sehen, was du noch weißt«, grinste Geoff und trat hinter mich. »Was kannst du mir über den Schild erzählen?«
Es war eine offene Herausforderung, und ich hatte einer offenen Herausforderung noch nie widerstehen können. Ich verschränkte meine Hände fester und sah nachdenklich zu der bemalten Meißelarbeit hinauf. Ich wußte jedenfalls, daß der Schild nur einen Teil des Wappens bildete und daß die beiden Bezeichnungen nicht synonym waren.
»Also«, begann ich, »zunächst einmal ist er in der Mitte waagerecht unterteilt. Die Farbe der unteren Hälfte ist Gold, aber die der oberen kann ich nicht erkennen …«
»Rot«, half Geoff, »Blutrot. Das ist recht selten.«
»Der untere Teil heißt also ›in Gold eine rote Rose versehen mit Dornen und Samen‹«, sagte ich und blickte
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