Mariana: Roman (German Edition)
farbiges Bild, und ich war so sehr damit beschäftigt, daß Rachel mich zweimal ansprechen mußte, bevor ich sie hörte.
»Es ist nicht mehr weit jetzt«, sagte sie. »Du wirst es sehen können, wenn wir auf diesem Hügel angelangt sind.« Und dann kam die Sonne hinter der Wolkendecke hervor, gerade als wir den Kamm des Hügels erreichten, und ich erhielt meinen ersten Blick auf Wexley Basset.
Die Märkte, die ich kannte, waren Stadtmärkte, Londoner Märkte, die in enge Straßen oder auf kleine, kopfsteingepflasterte Plätze gezwängt waren, auf denen heisere Händler ihre Waren anpriesen und wo um mich herum ein unablässiges Gedränge von Menschen und nochmals Menschen herrschte. Es war eine angenehme Abwechslung, die buntgestreiften Markisen zu sehen, die in fröhlichen Kreisen rund um das verwitterte Marktkreuz standen, während die Sonne den Marktplatz in helles Licht tauchte. Auch hier gab es eine Menschenmenge, gewiß, aber sie bestand aus freundlichem Landvolk mit klaren, unverstellten Stimmen und ehrlichen, von Wind und Wetter rotgescheuerten Gesichtern.
»Nun, was sagst du?« fragte mich Rachel.
Ich konnte nur mit aufgerissenen Augen schauen wie ein verzaubertes Kind, und sie lachte ihr schönes, melodisches Lachen und packte meine Hand, um mich hinunter in das Gewühl der Menge zu führen. Wir wurden gedrängt und gestoßen, aber es machte mir nichts aus, und zu meiner eigenen Verwunderung hörte ich mich ebenfalls lachen. Der leichte Wind fuhr mir ins Haar, und die Sonne wärmte mein Gesicht, und ich fühlte mich plötzlich wunderbar lebendig.
»Es ist herrlich!« rief ich Rachel zu, aber meine Stimme wurde von einem Meer von Stimmen verschluckt, und sie konnte mich nicht hören. Sie führte mich noch ein Stück weiter und drehte sich dann zu mir um, das Gesicht vor Erregung gerötet.
»Komm, du mußt die Schauspieler sehen«, sagte sie.
Eine große Menschentraube hatte sich in einer Ecke des Platzes angesammelt, und dorthin zog sie mich. Als wir die Stelle erreicht hatten, lächelte Rachel einen der größeren Männer lieblich an, woraufhin er zur Seite trat und uns vor ihn schlüpfen ließ, wo wir das Geschehen gut beobachten konnten. Es waren acht Schauspieler an der Zahl, die merkwürdige Phantasiekostüme in allen Farben des Regenbogens trugen. Einer von ihnen, ein junger Bursche von etwa vierzehn Jahren, sprach gerade einen Prolog mit hoher, schallender Stimme.
»Ich hatte gehofft, daß sie hier sein würden«, gestand Rachel mir aufgeregt flüsternd. »Sie kommen oft am Markttag, um die Leute zu unterhalten.«
Der junge Prologsprecher hatte geendet, und die Zuschauer verfielen in erwartungsvolles Schweigen. Es war ein kurzes Stück, nur wenige Minuten lang, aber ausgezeichnet gespielt.
Einer der Männer trat nach vorn, in düsteres Schwarz gehüllt, mit einem Puritanerhut auf dem Kopf und dem Wort »Parlament« auf einem Streifen Stoff über seiner Brust. Er sprach ausführlich über die verkommenen Sitten der englischen Nation, aber mit solch komischen Wendungen und entstellenden Bedeutungen, daß er sich selbst verspottete und das Publikum zum Lachen über seine Torheit brachte. Nach und nach kamen Oliver Cromwell selbst, ein Soldat der Rundköpfe und ein lüstern blickender Priester hinzu, und alle drei stimmten in das Klagelied mit ein und schmiedeten derart böse und finstere Pläne, daß die Menge lautstark mit Rufen und Zischen protestierte.
Ein Engel trat auf, der mit trauriger Miene und unbemerkt zuhörte, dann hinüber zum »Parlament« ging und es berührte, woraufhin die dunklen, puritanischen Kleider abgeworfen wurden, um ein neues Parlament in strahlendem Weiß und Gold zu enthüllen. Ein Schauspieler, der das Volk darstellte, ganz in Rot gekleidet war und ein Flammenschwert schwang, vereinte sich mit diesem neuen und heiligen Parlament, und gemeinsam forderten die beiden die teuflischen Verschwörer heraus und besiegten sie. Und als ein glaubwürdiger Doppelgänger des guten König Karl erschien und seine Krone einforderte, erklangen so laute Beifallsrufe von der versammelten Menge, daß sie dem Getöse des Krönungstages selbst Konkurrenz machten.
Es gab viele »Hurras!«, und viele Münzen wurden geworfen, als die Schauspieler mit ihrem Stück fertig waren.
»Das war ein gutes Stück«, sagte ich zu Rachel, als wir uns entfernten.
»Oh ja«, stimmte sie zu, »aber dein Onkel hätte das nicht gefunden.«
»Warum sollte er nicht?«
Sie sah mich an und schien ihre
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