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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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wenigstens vollständig angezogen, wenn auch in meinen verwaschenen Jeans und dem zerknitterten T-Shirt, das ich zum Malen trug. Aber ich war anständig bekleidet. Außerdem waren es noch einige Stunden hin, bevor jemand im Dorf aufwachen würde.
    Nachdem ich mich selbst von der Durchführbarkeit meines Plans überzeugt hatte, verbrachte ich die nächsten Minuten damit, meine unaufgeräumten Schränke auf der Suche nach einer Kerze zu durchwühlen. Irgendwo hatte ich gelesen, daß Kerzen unabdingbar für die Selbsthypnose waren. Schließlich fand ich einen Stummel im Besteckkasten und klebte ihn auf einen flachen Unterteller. Ich löschte das Licht, setzte mich an den sauber gescheuerten Küchentisch, stellte die Kerze vor mich hin und zündete sie mit angehaltenem Atem an.
    Die Flamme flackerte erwartungsvoll, senkte sich und tanzte in den Luftströmen, die in dem stillen Raum umherspielten. Meine ganze Welt schien auf diese einzelne Lichtquelle reduziert zu sein, auf die winzige, zitternde, hypnotisierende Flamme, die in der fast vollständigen Dunkelheit strahlte. Ich hielt meine Augen auf sie gerichtet, starr und konzentriert, während ich im Geist ständig einen einzigen Gedanken wiederholte: Ich will mich erinnern. Ich will mich erinnern. Immer und immer wieder, wie ein Motiv aus Händels »Messias«, beharrlich und mit monotoner, absichtsvoller Intensität. Ich will mich erinnern. Ich will zurückgehen …
    Ein Luftzug fuhr singend an meinen Ohren vorbei, und die Kerzenflamme zog sich zur Antwort jäh zusammen.
    »Hast du deinen Schluck immer noch nicht ausgetrunken?« fragte Rachel verwundert. »Der Markt hat schon angefangen, und wir werden noch die besten Angebote verpassen.«
    Ich leerte schuldbewußt meinen Becher und verschluckte mich beinahe an dem starken Wein. »Es tut mir leid« entschuldigte ich mich. »Ich habe nachgedacht.«
    »Du denkst zuviel nach. In diesem Haus kann dir das nur Unbill bereiten«, sagte sie und lächelte mich von der Türschwelle her an, während sie ihren schweren Umhang richtete und die Kapuze über ihr helles Haar zog. »Wenigstens hat es aufgehört zu regnen, und der Himmel klart auf. Es verspricht, ein schöner Tag zu werden.«
    Ich ließ meine eigene Kapuze unten. Ich mochte es, den Wind in meinen Haaren zu spüren, besonders den reinigenden Wind, der oft einem Regen im Spätfrühling folgt. Mein dunkelblauer Umhang war abgetragen und an einigen Stellen geflickt, aber das Kleid darunter war neu, und ich freute mich auf einen Vormittag fern vom Haus und dem Einfluß meines Onkels. Den Riegel der Küchentür aufzuschieben war wie eine Gefängniszelle aufzuschließen, und ich lächelte strahlend, als ich Rachel durch den rückwärtigen Gärten auf die Straße folgte, die uns weg vom Haus, weg vom Dorf zu einem Marktplatz voll Menschen und Lachen und Leben führen würde.

Kapitel fünfzehn
     
    Der Marktflecken Wexley Basset lag östlich von Exbury an der Straße nach Marlborough. Wir waren nicht die einzigen Reisenden auf dieser Straße – dreimal wurden wir von Karren überholt, die Menschen und Güter zum Markt trugen, und wenig später überholten wir selbst einen jungen Burschen, der eine sanfte, braune Kuh und ihr großäugiges Kalb führte. Die Versuchung, mit Leuten zu sprechen, war groß nach den Wochen der Einsamkeit, aber ich folgte Rachels Beispiel und hielt mich dicht am Straßenrand, die Augen sittsam niedergeschlagen.
    Das war das Schwerste – zu warten, bis die Fremden weitergefahren oder zurückgefallen waren, so daß ich wieder den Kopf heben und die Umgebung in mich aufnehmen konnte. Die Freiheit war ein neuer, zu Kopfe steigender Wein für mich, und der frische Duft der regentriefenden Wildblumen vertrieb den bitteren Geruch der Verzweiflung aus meinen Nasenflügeln und ließ mich für den Moment die hoffnungslose Unsicherheit meiner Lage vergessen.
    Der Weg verlief pfeilgerade wie eine römische Straße und wies tiefe Furchen auf, die der gestrige Regen ausgewaschen hatte. Zu unserer Rechten erstreckten sich ebene Felder sprießenden Weizens und eingezäunte, mit Schafen gesprenkelte Weiden; links sah man die ausgedehnte, grüne Hügellandschaft von Wexley und das hügelige Jagdgebiet dahinter. Zur Zeit meines Großvaters, erzählte mir Rachel, habe der erste König Karl selbst hier gejagt, sei im Galopp hinter seinen Falken her, seine Edelleute auf den Fersen und das halbe Dorf stolpernd im Gefolge.
    Die Vorstellung ergab ein schwärmerisches,

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