Mariana: Roman (German Edition)
Samstag.«
»Scherer?« fragte ich.
»Ja. Für die Schafe. Sie müssen alle Farmen in der Gegend abdecken und deswegen einen genauen Zeitplan einhalten.«
»Du scherst die Schafe also nicht selbst?«
»Um Gottes willen, nein«, grinste er. »Ich habe kein Geschick mit Schurscheren – die Schafe würden verdammt schrecklich aussehen, wenn ich das selbst machen würde. Nein, meine Scherer kommen extra aus dem Norden. Junge Kerle. Profis. Sie schaffen meine Herde an einem Nachmittag.«
»Also bist du Samstag auch nicht frei«, schloß Geoff. Es schien mir, daß die Tatsache ihn nicht sonderlich betrübte. »Tja«, sagte er, »das ist schade. Dann bleiben wohl nur Julia und ich.«
»Genau.« Iain warf mir einen brüderlichen Blick zu. »Sieh dich vor, Julia«, warnte er. »Er mag harmlos aussehen, aber Äußerlichkeiten können trügen.«
Geoff grinste. »Das ist Verleumdung, mein Lieber. Du weißt, daß ich mich immer wie ein perfekter Gentleman benehme.«
»Na schön, Sir Galahad«, sagte Iain spöttisch, »glaubst du, du kannst einen Moment erübrigen und mir wie versprochen helfen, den Zaun an der Westseite des Obstgartens zu reparieren?«
»Mist, das hatte ich ganz vergessen. Ich habe es wirklich versprochen, ja?«
»Ja. Und die Schafe werden sich auf der Straße verteilen und den halben Weg bis Beckhampton zurücklegen, wenn ich den Zaun bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht repariert habe.« Er deutete mit dem Kopf auf Geoffs Glas und versuchte, nicht über den geknickten Gesichtsausdruck seines Freundes zu lachen. »Trink aus«, forderte er ihn streng auf.
Geoff trank wiederwillig sein Glas aus und erhob sich auf seine volle Höhe von weit über einem Meter achtzig. »Meine Damen« sagte er theatralisch, »ich nehme meinen Abschied von Euch.« Sich mir zuwendend, fügte er hinzu: »Danke für deine Gesellschaft heute.«
»Danke für die Führung«, lächelte ich zurück. »Sie hat mir gut gefallen.«
»Jederzeit.« Die Wärme in seinem Blick war fast greifbar. »Ich rufe dich irgendwann in der nächsten Woche an, und wir machen etwas für Samstag aus, in Ordnung?«
»Gern.«
»Uff«, seufzte Vivien erleichtert, als die Männer gegangen waren, »wenigstens hat er wieder gelächelt, als er ging. Iain, meine ich. Ehrlich«, vertraute sie mir grinsend an, »dieser Mann und seine Launen. Er klebte fast den ganzen Nachmittag auf diesem Hocker, trank und rauchte und sah finsterer drein als der Teufel. Ich hoffte, daß Geoff hereinschauen würde, um ihn aus dieser Stimmung zu reißen.«
»Sie sind sehr gute Freunde, stimmt’s?« sagte ich nachdenklich. Merkwürdigerweise dachte ich dabei nicht an Geoff und Iain, sondern an einen dunklen Mann auf einem grauen Pferd, der einem anderen Mann nachsah, der leichtfüßig über die Felder schritt und eine schwere Reisetruhe auf einer Schulter balancierte, als ob es sich um ein Kinderspielzeug handelte. Das ist Evan Gilroy , hörte ich Rachels klare Stimme sagen, er lebt im Herrenhaus …
»Die besten Freunde«, antwortete Vivien in nachdrücklichem Ton. »Man könnte glauben, daß sie sich schon ihr ganzes Leben lang kennen, wenn man ihnen so zuhört.«
Ich runzelte leicht die Stirn und malte mit einem Finger ein Muster in die Feuchtigkeit auf der Wand meines Glases. »Deine Tante Freda«, begann ich vorsichtig. »Warum haben Geoff und Iain sie … ich meine, warum glauben sie beide, daß sie …«
»Eine Hexe ist?« beendete Vivien die Frage für mich mit einem aufblitzenden Lächeln. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist sie ja wirklich eine. Sie war schon immer ein bißchen hellsichtig, meine Tante. Wußte immer, wann ich vom Baum gefallen war, oder wann ich etwas Verbotenes angestellt hatte. Sie scheint immer alles zu wissen, irgendwie. Darüber hinaus ist sie«, sie lehnte sich wieder gegen den Tresen und legte den Kopf schräg, »einfach eine bemerkenswerte Frau. Sehr erdverbunden, wenn du weißt, was ich meine. Sie kann verletzte Tiere heilen und ein Baby zur Welt bringen und mit Singvögeln sprechen und «, wieder blitzte das Lächeln auf, »sie zieht größere Tomaten in ihrem Garten als irgendwer sonst im Dorf. Das ist es wohl, worin Hexenkunst besteht, soweit ich weiß. Möchtest du noch einen?«
Ich sah verständnislos auf mein Glas und schüttelte dann den Kopf.
»Nein, danke. Ich sollte mich auch auf den Heimweg machen. Ich muß noch ein paar Skizzen fertigstellen, denn meine Verlegerin bekommt einen Anfall, wenn ich ihr diese Woche nicht
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