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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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Worte abzuwägen, überlegte es sich dann aber plötzlich anders.
    »Sieh mal«, sagte sie statt dessen, »dort ist ein Orangenverkäufer. Sollen wir uns eine Orange teilen? Ich habe etwas Geld für mich selbst.«
    Ich hatte auch etwas eigenes Geld, ein paar zusammengesparte Pennies, die ich sicher im Saum meines Kleides versteckt hatte, aber ich ließ Rachel die Orange kaufen, die wir genau aufteilten, um dann das süße, saftige Fruchtfleisch und den exotischen Duft der Schale zu genießen, ein Duft, der noch lange, nachdem wir die Frucht verspeist hatten, an unseren Händen hing.
    »So«, sagte Rachel und erinnerte sich an unsere Aufträge, »ich soll für Caroline eine Gans kaufen und ein Stück Rindfleisch. Die Schlachter sind dort drüben, jenseits des Ganges.«
    Ich blieb zögernd etwas zurück. »Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte ich, »würde ich mich gern ein bißchen alleine umsehen.«
    In Wahrheit fürchtete ich den Gestank der Schlachterstände und hatte noch nie den Anblick von Tieren, die zum Schlachten bestimmt waren, ertragen können. Rachel schien mir mein Widerstreben nicht übelzunehmen.
    »Tu, was du möchtest«, lud sie mich mit einem leichten Achselzucken ein. »Ich werde dich schon wiederfinden, wenn ich mit den Einkäufen fertig bin.«
    Ich empfand leichte Gewissensbisse. »Brauchst du denn nicht meine Hilfe? Um das Fleisch zu tragen vielleicht?«
    »Aber nein. Mach dir keine unnötigen Sorgen«, lachte sie. »Gewöhnlich gehe ich ganz allein auf den Markt. Fort mit dir, und amüsier dich gut. Du kannst deinen Teil der Last auf dem Nachhauseweg tragen.«
    Es fiel mir nicht schwer, mich zu amüsieren, umgeben von einem solchen Aufgebot an kuriosen Dingen und billigem Tand und wunderschöner Ware: Tränke zur Verbesserung der Gesundheit, herbeigeschiffte französische Seidenstoffe und flämische Spitze, Äpfel und Zitronen, die von ihren Karren auf das Kopfsteinpflaster rollten, getrockneter Fisch und Blechkannen und hölzerne Eimer und zierlicher Schmuck. Verzückt schlenderte ich von einem Stand zum nächsten, verweilte bei Menschenansammlungen, um einen Händler schreiend seine Ware anpreisen zu hören oder einem anderen dabei zuzusehen, wie er mit einer starken Wunderflüssigkeit aus weißem Leinen Talgflecken entfernte.
    An einem der Stände fiel mir ein schön gearbeitetes Armband ins Auge, und ich blieb stehen, um es zu bewundern. Es war aus glänzendem vergoldeten Metall zierlich gearbeitet und zeigte einen Reigen nach der Phantasie gestalteter Paradiesvögel mit Augen aus blauem Glas, die wie königliche Juwelen glitzerten. Ich betrachtete es sehnsüchtig und fuhr mit meinen Fingern über die feingliedrigen Kreaturen. Meine Pennies schienen sich ungeduldig in ihrem Versteck zu bewegen, und der Verkäufer, der meine Versuchung spürte, kam unauffällig näher.
    »Das ist wahre Qualität, Mistress«, sagte er und begleitete seine Worte mit einem einnehmenden Lächeln. »Genau wie die Sachen, die die feinen Damen heutzutage bei Hofe tragen. Nur zehn Schillinge.«
    Zehn Schillinge! Ich zog meine Hand widerstrebend zurück. Ich hatte nur Münzen im Wert von Sixpence in der Tasche und konnte nicht hoffen, ihn jemals so weit herunterzuhandeln. Meine Enttäuschung hielt jedoch nur einen Moment an, denn als ich mich abwandte, fiel mein Blick auf den Karren eines Buchhändlers, der abseits in einer schattigen Ecke am Rand des Marktplatzes stand, und mein Herz hüpfte vor Freude. Wie herrlich würde es sein, dachte ich, wieder einmal ein Buch in der Hand zu halten, die glatten, festen Seiten zu fühlen und den starken, berauschenden Duft von eingeöltem Leder und von Papier zu riechen.
    Unser Haus in London war voll von Büchern gewesen. Sie standen in Schränke gezwängt, und jedes Regal hatte unter ihrem Gewicht geächzt. Aber im Haus meines Onkels gab es nur den schweren, respektgebietenden Band der englischen Bibelversion, sonst nichts.
    So glücklich war ich üben den Anblick einer solchen Menge an Büchern, daß ich kaum auf den Buchhändler selbst achtete, einen hageren, ruhigen Mann, der gegen den Karren gelehnt stand, seine Pfeife anzündete und mir mit nachsichtigem Schweigen zusah, als ich die Titel seiner Sammlung studierte. Es gab mehrere, die ich gern gekauft hätte, aber ich entschied mich schließlich für Bilder der Natur mit dem Bleistift der Phantasie lebensnah gezeichnet von Margaret Cavendish, der gefeierten Herzogin von Newcastle. Es war kein neues Buch – es war

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