Mariana: Roman (German Edition)
tatsächlich etwas über zehn Jahre alt, geschrieben während der Verbannung der Herzogin aus dem Commonwealth –, aber mein Vater hatte es gelesen und sich beifällig darüber geäußert. Und vor allem kostete es nur vier Pence.
»Eine gute Wahl«, lobte mich der Buchhändler mit einem Lächeln, »vorausgesetzt, daß Ihr Euch ihre schwärmerischen Phantasien nicht zu Kopfe steigen laßt. Die Dame ist einzigartig und verdient Bewunderung, aber sie sollte, denke ich, besser nicht nachgeahmt werden.«
Ich erwiderte sein Lächeln. »Ich werde Euren Rat beherzigen, Herr«, versprach ich in der Gewißheit, daß ich nie in Versuchung geraten würde, mit der extravaganten Kleidung und Lebensführung der Herzogin von Newcastle wettzueifern.
Ich wollte ihm meine Pennies reichen, aber er schüttelte leicht den Kopf und schob mir einen kleinen Teller mit einer Flüssigkeit zu. Der starke, beißende Geruch von Essig stieg mir in die Nase.
»Eine Vorsichtsmaßnahme gegen diese verfluchte Pest«, erklärte er. »Ihr selbst mögt zwar nicht aus London sein, mein Kind, aber niemand weiß, wo Eure Münzen schon gewesen sind.«
Ich warf die vier Pennies mit zitternden Fingern in den Essig, sicher, daß er von meinem gesenkten Blick mein Schuldbewußtsein ablesen konnte. Ich schnappte meinen Kauf, entfernte mich hastig von dem Karren und verlangsamte meinen Schritt erst wieder, als ich mich in der Anonymität der sich weiterwälzenden Menge verloren hatte.
Mein Orientierungssinn hatte mich verlassen, ich lief ziellos im Kreise und konnte weder Rachel noch die Reihe der Schlachterstände finden. Nachdem ich eine scheinbar endlose Runde um den Marktplatz gedreht hatte, machte ich im Schutz einer Gasse Halt, um einen Moment zu verschnaufen, und sah mich plötzlich einem riesigen grauen Hengst gegenüber, der mir bekannt vorkam.
Das Tier war an einem in die Wand eingelassenen Eisenring angebunden und stand ganz ruhig da. Mit großen, feuchten Augen, die nur eine schwache Neugier verrieten, sah er auf mich herab.
»Oh«, entfuhr es mir leise.
Ich hatte schon immer eine Schwäche für Pferde gehabt. Schon als kleines Kind hatte ich keine Furcht vor diesen Tieren gezeigt, sondern die lästige Gewohnheit entwickelt, auf die Straße zu laufen, um die Zug- und Kutschpferde zu streicheln, die sich überall in London drängten. Auch jetzt verspürte ich keine Angst, als ich näher an den hochbeinigen Hengst herantrat und meine Hand ausstreckte.
»Oh«, sagte ich wieder, »du schönes Geschöpf. Ist ja gut, ich tu dir nichts.«
Die großen Nüstern bebten, als sie meinen Geruch erforschten.
»Ja, mein Schöner«, sprach ich weiter in dem törichten Ton, den man Kindern und Tieren gegenüber anschlägt, »hab keine Angst. Ich will dich nur streicheln, so ist’s gut.«
Ich legte die hohle Hand über die Nüstern des Pferdes und streichelte sie sanft, und nach einer Weile spürte ich, wie der Hengst ruhig wurde und sein Maul in meine Handfläche stupste. Ich lachte triumphierend, beugte mich vor, um seine schnuppernde Nase zu küssen, und fuhr mit der Hand über den schön gebogenen Hals.
Die Männerstimme, die direkt hinter mir erklang, erschreckte mich und zerstörte den Zauber.
»Ihr setzt leichtfertig Euer Leben aufs Spiel, Mistress«, sagte die Stimme lakonisch. »Er ist ein bösartiger Teufel und seine Zuneigung oft falsch.«
»Unsinn«, sagte ich. »Er ist ein wunderbares Tier.« Und ich wandte meinen Kopf, um Richard de Mornay selbstbewußt in die Augen zusehen.
Ich mußte dazu allerdings ziemlich hoch aufblicken. Er wirkte im Stehen nicht kleiner als auf einem Pferd, und mein Scheitel reichte kaum an seine Schulter heran.
Er zog seinen Hut mit galanter Geste und verbeugte sich tief, bevor er mich mit lachenden Augen ansah.
»So begegnen wir uns wieder.«
»Mylord«, begrüßte ich ihn und neigte den Kopf zur Antwort.
Er hat schönes Haar, dachte ich träumerisch. Als er sich aufrichtete und es zurückwarf, fing es die Sonnenstrahlen ein, und ich bedauerte, es wieder von dem breitkrempigen Hut bedeckt zu sehen. Von nahem betrachtet, schien er mir auch viel jünger zu sein, als ich ihn bei unserer ersten Begegnung geschätzt hatte. Bestimmt war er nicht mehr als fünfzehn Jahre älter als ich, nicht über Fünfunddreißig.
»Ich gratuliere Euch dazu, Navarres Vertrauen gewonnen zu haben«, sagte er, auf sein Pferd deutend.
»Navarre? Ist das sein Name?« Ich streichelte den muskulösen Kiefer des Tieres. »Ein schöner
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